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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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nach, unrasiert und in schmutziger Arbeitskleidung. Zu ihrem Erstaunen machten sie ihr nicht Platz, sondern blieben einfach stehen und musterten sie mit finsterem Interesse.
    Ich bin es gewohnt, eine Frau zu sein,
dachte sie —
und eine Priesterin dazu. Die Leute treten vor mir zur Seite oder bitten sogar um einen Segen. Ist es für Männer immer so? Oder versperren sie mir aus einem bestimmten Grund den Weg?
    »Was haben wir denn da?«, sagte einer der Kleinsten. Er hatte einen trägen, selbstgefälligen Tonfall, der darauf schließen ließ, dass er ungeachtet seiner Körpergröße der Anführer war. Er stieß sich von der Mauer ab und blieb direkt vor ihr stehen. »Was willst du, Wicht?«
    Utta konnte sich einen empörten Widerspruch nur mit Mühe verkneifen: Unter Frauen galt sie als groß, und sie war fast auf Augenhöhe mit diesem Kerl, wenngleich deutlich schmächtiger. »Ich habe etwas zu erledigen«, sagte sie in ihrem barschesten Ton. »Lasst mich bitte durch.«
    »Oh, Erledigungen im Skimmerviertel?« Er hob die Stimme, als ob sie etwas Anstößiges gesagt hätte und er es jeden wissen lassen wollte.
    »Hältst Ausschau nach einem kleinen, fischgesichtigen Mädchen, was, Wicht?«
    Einen Augenblick konnte ihn Utta nur anstarren. »Nichts dergleichen. Geschäfte«, sagte sie und merkte dann, dass es vielleicht zu überheblich geklungen hatte. »Geschäfte meines Herrn.«
    »Aha«, sagte der, der sie angesprochen hatte. »Dein Herr also? Und was hat
der
im dreckigen Skimmerviertel für Geschäfte zu erledigen? Billige Fischer anheuern, möchte ich wetten, die anständigen Leuten die Arbeit wegnehmen. — Oh, jetzt guckt euch mal seine Visage an, Jungs!« Der kleine Mann wieherte. »Ertappt, was?« Er trat einen Schritt auf Utta zu und musterte sie von oben bis unten. »Schau dich doch an, weich wie Gallert. Hast du's vielleicht nicht so mit Mädchen? Bist du
so
einer?«
    »Lasst mich los.« Sie versuchte, ihre Stimme unter Kontrolle zu halten, konnte aber ein gewisses Beben nicht verhindern.
    »Ach ja? Sollen wir das wirklich tun?« Der Mann beugte sich näher heran. Er stank nach Wein. »Sollen wir?«
    »Ja«, sagte eine neue Stimme. »Lass ihn los.«
    Utta und ihr Peiniger blickten überrascht auf. Ein haarloser Mann war aus einem seitlichen Durchgang getreten — ein Skimmer, ging Utta auf, mit einer Narbe, die sich übers ganze Gesicht zog und ein Augenlid verunstaltete. Von der Männerhorde, die die Gasse versperrte, ging jetzt ein animalischer Hass aus, den Utta fühlen konnte. »He, Fischgesicht«, sagte ihr Widersacher. »Was tust du hier außerhalb deines Tümpels? Dieser Teil der Stadt gehört reinblütigen Leuten.«
    Der Skimmer starrte zurück, das Gesicht so unbewegt wie das einer Wachsfigur. Er war nicht klein und für einen Skimmer kräftig gebaut, aber er hatte es mit einer deutlichen Übermacht zu tun. Einige der Männer postierten sich so, dass er mehr oder minder umstellt war. Er lächelte — was sein entstelltes Auge zu einem schmalen Schlitz verzog —, hob dann den Kopf und machte ein froschartig schnalzendes Geräusch. Gleich darauf strömte ein halbes Dutzend junger Skimmer in die Gasse, einer mit einem Fischhaken in der Hand, während ein anderer mit einem Holzknüppel an seine Beine klopfte und dabei zahnlos grinste.
    »Barmherzige Zoria«, hauchte Utta.
Sie werden sich gegenseitig umbringen.
    »Ihr Kerle solltet nicht über die Barkstraße rausgehen«, sagte der Mann, der sie angepöbelt hatte. Er grinste ebenfalls, und er und der erste Skimmer umkreisten sich jetzt, einen trägen Schritt nach dem anderen. »Ihr habt hier nichts zu suchen. Das hier ist unser Gebiet, ist es.« Er sprach langsam wie bei einer religiösen Zeremonie — er rief das mächtige Mysterium der Gewalt an, erkannte Utta, genauso ritualisiert, wie ein Priester die Aufmerksamkeit der Götter zu erlangen suchte. Sie konnte nicht anders, als dieses sich umkreisende Paar anzustarren, während ihr kalte Schauer über die Haut jagten.
    »Verschwinde«, sagte jemand direkt hinter ihr — einer der anderen Skimmer. Sie spürte, wie kräftige Hände sie packten und wegzogen, dann stieß sie eine andere Hand ins Kreuz. Sie tat ein paar stolpernde Schritte weg aus dem Zentrum der Männerschar, rutschte aus und fiel in den Dreck. Sie blickte zurück, darauf gefasst, dass einer von denen, die sich ihr in den Weg gestellt hatten, sie aufzuhalten versuchte, oder dass einer der Skimmer brüllen würde, sie solle sich

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