Das Spiel
würden das Geld nicht zurückbekommen.«
Feival zuckte die Achseln. »Wie Ihr meint. Aber soll ich schon mal vorfühlen, für danach ...?«
»Unbedingt.« Teodorus lächelte und nickte Feival zu, als wollte er seine barsche Zurückweisung von eben wiedergutmachen.
Briony war etwas verdutzt über Finns Heftigkeit, war aber mit anderen Gedanken beschäftigt. Sie ließ sich einfach nur dahintreiben, dachte sie — driftete diese Straße entlang und durch dieses fremde Land wie ein Blatt in einem Fluss. Ja, so war es jetzt schon seit ihrer Begegnung mit der Halbgöttin Lisiya, die zwar erst drei Dutzend Tage zurücklag, ihr aber bereits vorkam wie eine vage Erinnerung aus ferner Kindheit. Sie fasste in ihren Kragen und berührte die Halskette, die ihr Lisiya geschenkt hatte, streichelte den kleinen, glatten Vogelschädel. Was sollte sie jetzt tun? Die Halbgöttin hatte ihr nur den Weg zu den Schauspielern gewiesen, aber nicht gesagt, was sie als nächstes tun oder wo sie hingehen sollte. Vermutlich wollte Lisiya, dass Briony diese Entscheidungen selbst traf, und es war so eine Art Prüfung — das war es doch, was die Götter mit Sterblichen machten?
Aber warum?
Niemand hatte je eine Erklärung für diese seltsame Grille der Götter geben können.
Was sollte es die Götter interessieren, ob Sterbliche etwas taugen?
Es war ein bisschen so, als ob ein Bauer durch seinen Stall ginge und alle seine Tiere einer Prüfung unterzöge, um herauszufinden, welche reinen Herzens oder besonders schlau waren, damit er diese belohnen und die anderen bestrafen konnte. Na ja, vielleicht war so etwas ja sinnvoll, um herauszufinden, welche Tiere am
gehorsamsten
waren — war es das, was sich die Götter von solchen Prüfungen versprachen?
Ich schweife schon wieder ab,
tadelte sie sich.
Was soll Briony Eddon jetzt tun, das ist hier die Frage. Wie weiter?
Bevor er in den Flammen gestorben war, hatte Shaso davon gesprochen, eine Streitmacht aufzustellen oder wenigstens genügend Männer, um sie zu schützen, wenn sie sich zu erkennen gäbe, und sie vor der Niedertracht der Tollys zu bewahren. Er hatte die Idee gehabt, den syanesischen König um Männer zu bitten, und wo war
sie
jetzt? In Syan. Am liebsten wollte sie nach Hierosol, wo ihr Vater gefangen gehalten wurde — sie sehnte sich so danach, sein Gesicht zu sehen und seine Stimme zu hören —, aber sie wusste selbst, dass das blanke Torheit wäre, denn im besten Fall würde sie in der Zelle neben seiner landen. Shaso würde ihr raten, ihr Glück hier zu versuchen, bei alten Verbündeten.
Aber wäre das wirklich ein guter Vorschlag, oder wäre es einfach nur typisch Shaso, der alte Krieger, der so dachte wie alle alten Krieger — dass man ein Königreich nur mit Waffengewalt zurückgewinnen konnte?
Der Gedanke an den alten Mann sengte ihr ein Loch ins Herz. Welch schreckliches Unrecht hatten sie und ihr Bruder ihm angetan, indem sie ihn monatelang wie ein Tier eingesperrt hatten!
Und jetzt ist er tot. Meinetwegen. Wegen meiner Dummheit, meiner eigensinnigen Fehler, meiner ... meiner ...
»Tim? Tim, was ist los?« Es war Feival, Besorgnis im hübschen Gesicht. »Warum weinst du denn, Herzchen?«
Briony wischte sich ärgerlich die Tränen von den Wangen. Konnte man sich noch mädchenhafter benehmen? Nur gut, dass alle Schauspieler ihr Geheimnis bereits kannten. »Ich ... ich musste nur an etwas denken. An jemanden.«
Feival nickte wissend und wandte sich ab.
Das Gasthaus
Zum falschen Frauenzimmer —
kein sehr aufmunternder Name, dachte Briony angesichts ihres eigenen verworrenen Rollenspiels — lag an der Ecke eines alten, heruntergekommenen Marktplatzes im nordöstlichen Teil der Stadt, einem Viertel namens Chakkisloch, so genannt nach dem Chakkai-Volk aus den südperikalesischen Bergen. Die Chakkai waren einst in die Stadt gekommen, um sich hier als Tagelöhner zu verdingen, und hatten sich in diesem Labyrinth von dunklen Gassen niedergelassen. Das Loch, wie seine Bewohner einfach sagten, lag so nah an der hohen Stadtmauer, dass es selbst zur Mittagszeit an diesem klaren Wintertag gänzlich im Schatten lag. Einer der vielen Kanäle der Stadt trennte es säuberlich vom Rest des Perikalesenbezirks.
Auf dem Schild über der Tür des Gasthauses prangte eine Frau mit zwei Gesichtern, einem hübschen und einem hässlichen, und einem spitzen Hut, wie ihn seit über hundert Jahren niemand mehr trug. Der Wirt, ein stämmiger Bursche mit Schnauzbart, hieß Bedoyas. Er führte
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