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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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spräche er von einem Gefängnis oder einem Wald voller unangenehmer wilder Tiere. »Hat Euch denn keiner gesagt, dass wir hinter jeder Frau her sind, ganz gleich wie alt?«
    Ich
bin
alt,
ermahnte sie sich.
Ich darf mich wohl kaum beleidigt fühlen.
Sie sah ihn an; er sah beflissen weg. Er war so jung wie die Skimmer vorhin in der Gasse, wenn nicht jünger, und seine Arme schienen selbst nach den Maßstäben seines Volkes lang. Er hatte schlanke, gewandte Finger und ein angenehm kräftiges Kinn.
    »Ich komme von Herzogin Merolanna von Südmark«, sagte sie. »Ihr wurdet mir als jemand empfohlen, der uns vielleicht helfen könnte. Wir brauchen jemanden mit einem Boot.«
    »Empfohlen?« Er hob eine haarlose Augenbraue. »Da war aber jemand großzügig. Wer war das denn?«
    »Turley Langfinger.«
    Er schnaubte. »Hätte ich mir denken können. Wär ihm ein Freudenfest, dem alten Turley, wenn ich bei irgendeinem Dienst für die Trockenländer umkomme. Er weiß, dass Ena und ich im Frühjahr die Netze aushängen werden und dass er nichts mehr dagegen machen kann, weil sie dann alt genug ist.« Er sah Schwester Utta jetzt geradezu neugierig an. »Wird er denn gut bezahlt, dieser Dienst?«
    »Ich denke schon. Die Herzogin ist nicht knauserig.«
    »Dann sagt mir, was sie will und was sie zahlt, Vuttländerin.«
    »Woher wisst Ihr das?«
    »Dass Ihr Vuttin seid?« Er lachte. »Ihr
riecht
vuttisch, oder vielleicht nicht? Trotzdem, Ihr seid besser als die meisten. Verglichen mit einem Syanesen oder einem Jellonier seid Ihr wie Frühlingsgischt und rosa Strandnelken. Die Jellonier essen keinen Fisch, nur massenhaft Schwein, stimmt's? Man riecht sie schon auf eine Meile. Aber wenn wir jetzt genug drüber geredet haben, wie Leute riechen, lasst uns von Silber sprechen.«

36

Das falsche Frauenzimmer
    Suya wanderte lange durch die Wildnis und musste viel Mühsal und Not ertragen, ehe sie endlich das Drachentor von Xergals Palast erreichte. Dem Tode nahe, sank sie hin. Doch Xergal, der Herr des Erdengrunds, war von ihrer Schönheit bezaubert, und statt sie in sein Totenreich einzulassen, zwang er sie, als Königin an seiner Seite zu herrschen. Fortan sprach sie kein Wort mehr.
    Offenbarungen des Nushash,
Erstes Buch
    In ganz Syan gab es auf allen Märkten Schädel zu kaufen, manche aus süßem Brot mit Honigglasur, andere mühevoll aus Kiefernzweigen geschnitzt, und ein paar sogar aus feinem, poliertem Marmor gearbeitet, für die Tische und Familienaltäre der Reichen und Adligen. An anderen Ständen wurden Stängel von weißem Affodill feilgeboten, die man sich an Kragen oder Mieder stecken konnte. Kerneia stand vor der Tür.
    Briony wurde bewusst, dass sie schon einen ganzen Monat mit den Schauspielern unterwegs war, was sie fast so seltsam fand wie das, womit sie seit kurzem ihre Zeit verbrachte: die Rolle der Göttin Zoria, der Perinstochter, zu spielen. Es war sogar noch verrückter: Als die Figur in Pinns Stück war Briony ein Mädchen, das vorgab, ein Junge zu sein, der vorgab, eine Göttin zu sein, die wiederum vorgab, ein Junge zu sein — eine so verschachtelte und verwirrende Angelegenheit, dass sie gar nicht so lange darüber nachzudenken vermochte, um viel Zeit damit zu vergeuden.
    Makswells Truppe hatte Teodorus' überarbeitetes Stück über den Raub der Zoria noch nie komplett aufgeführt, aber bereits die wichtigsten Szenen erarbeitet, und probierte sie jetzt an der Landbevölkerung des nördlichen Syan aus. Für Briony war es schon seltsam genug gewesen, im verdreckten Innenhof eines Dorfgasthauses die Worte der Göttin zu sprechen (oder zumindest die, die ihr Finn Teodorus in den Mund gelegt hatte). Jetzt aber folgte die Truppe dem grünen Lauf des Esteros, und die Ortschaften — und mit ihnen die Zahl der Zuschauer — wurden immer größer, je weiter es nach Süden ging.
    »Aber es ist so viel Text«, beschwerte sich Briony eines frühen Abends bei Teodorus, als die anderen gerade von ihrem nachmittäglichen Stadtrundgang zurückkehrten. »Ich kann erst die Hälfte des Stückes auswendig!«
    »Du schlägst dich sehr gut«, lobte sie der Verfasser. »Du bist ein aufgewecktes Ding und würdest dich in den meisten Berufen prächtig machen, da bin ich überzeugt. Außerdem hast du den meisten Text in den Szenen, die wir schon aufgeführt haben. Du brauchst also gar nicht mehr viel zu lernen.«
    »Aber es erscheint mir trotzdem so viel. Und wenn ich nun meinen Text vergesse? Gestern Abend wäre das fast passiert,

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