Das Spiel
sie in den Hof des Hauses und machte dabei ein Gesicht, als zwänge man ihn, jemandes Vieh in seinem eigenen Schlafzimmer unterzubringen. »Da. Für die Pferde schicke ich den Jungen her. Ihr werdet keinen einzigen Nagel ohne meine Erlaubnis in mein Holz schlagen, ist das klar?«
»Absolut, Herr Wirt«, versicherte Finn. »Und wenn jemand nach uns fragt, schickt ihn zu mir. Ich heiße Teodorus.«
Als Bedoyas davongestapft war, um sich um andere Gäste zu kümmern (obwohl es nicht gerade so aussah, als würde ihm die Kundschaft in diesem Winter das Haus einrennen), half Briony den anderen, eine Bühne aufzubauen — die stabilste, die sie je errichtet hatten, seit sie zu der Truppe gestoßen war, denn sie wollten ja mindestens zehn Tage hier bleiben. Einige der Männer waren in Wirklichkeit weniger Schauspieler als Zimmerleute, und von den Teilhabern der Truppe hatten mindestens drei, nämlich Dowan Birk, Feival und Pedder Makswell selbst, früher auf dem Bau gearbeitet. Kennit behauptete dies von sich auch, aber Finn Teodorus bestritt es lautstark.
»Was redet Ihr denn da für einen Unsinn, Dickwanst?« Kennit half Feival und zwei anderen Männern gerade, die Fässer zusammenzubinden, die als Stützen für die Bühne dienen sollten. Sie führten keine eigenen Fässer mit sich, da in den meisten Gasthäusern ein paar leere herumstanden, so auch im
Falschen Frauenzimmer.
»Ich habe schon mehr Häuser gebaut, als Ihr warme Mahlzeiten verschlungen habt!«
»Dann müsst Ihr Tessis ganz allein erbaut haben«, gab Pedder Makswell zurück. »Schaut euch doch unseren wohlbeleibten Finn an!«
»Euer Spott wäre treffender, werter Meister Makswell«, erwiderte Teodorus leicht pikiert, »wenn nicht Euer eigener Wanst über Euren Gürtel fiele. Wie es scheint, schimpft hier ein Abtrittleerer den Salpeterer einen stinkenden Kerl!«
Briony wusste nicht, wieso sie das so komisch fand, aber so war es. Sie konnte sich kaum halten vor Lachen, obwohl (oder auch weil) sie Estir Makswells sauertöpfischer Blick traf. Briony und Makswells Schwester waren damit beschäftigt, Sand in die Fässer zu schaufeln, die später die Bühnenmitte besonders gut abstützen sollten. Estir hatte immer noch eine Abneigung gegenüber der Person, die sie als »Tim« kennengelernt hatte — es ging ihr einfach gegen den Strich, wenn ein zusätzliches hungriges Maul zur Truppe stieß und die Einkünfte der Teilhaber noch weiter schmälerte —, aber in letzter Zeit war sie Briony gegenüber ein wenig milder geworden.
»Es braucht schon ein Kind, einen so lahmen Witz lustig zu finden«, brummte Estir und verdrehte die Augen. Dann sah sie die anderen finster an. »Und ihr Männer seid genauso schlimm! Man könnte meinen, ihr wärt Kleinkinder, die noch in die Hose machen, wenn man sieht, welchen Spaß ihr aus Sabbern, Furzen und Abtrittdung ziehen könnt.«
Das löste bei Briony einen neuen Lachanfall aus — Ähnliches hatte ihr penibler Bruder Barrick ihr auch schon oft vorgeworfen, wenn er es auch als ihr Zwilling natürlich nie darauf geschoben hatte, dass sie noch ein Kleinkind war.
Im Freien war es kalt, und ihre Hände waren aufgesprungen und schmerzten bereits von dem rauen Schaufelstiel, aber Briony fühlte sich seltsam wohl, fast schon glücklich. Der Kummer, der jetzt schon so lange auf ihr lastete, war zwar nicht verschwunden, aber im Moment konnte sie damit leben; es war, als wären sie alte Feinde und zu müde geworden, um sich weiter zu bekämpfen.
Die Männer brachten die Einzelteile der Bühne herbei und fügten sie zu einem großen Rechteck zusammen, legten dieses dann auf die vorbereiteten Fässer und zurrten alles fest. Briony als eine der Leichtesten wurde hinaufgeschickt, um die Konstruktion auf ihre Festigkeit hin zu prüfen. Nachdem sie ein paarmal so kräftig auf- und abgehüpft war, dass alle beruhigt waren, bauten sie den Rest ihres behelfsmäßigen Theaters auf. Der kleinere der beiden Wagen wurde hinter die Bühne gerollt, wo er als Garderobe für schnelle Kostümwechsel zwischen den Szenen, als Zugang für die Auftritte und Abgänge und als Bühnenrückwand zum Aufhängen der Kulissen dienen sollte. Das aufklappbare Dach des Wagens wurde hochgestellt, damit man es als Mauer oder Turm benutzen konnte, von wo aus Schauspieler ihre Texte deklamierten oder als Götter von hoher Warte in das Leben der gemeinen Sterblichen eingriffen. Briony sah das dattelpflaumenfarbene Sonnenlicht des schwindenden Tages auf den Bergspitzen
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