Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Schauspielerin in Trümmern. Tränen trübten ihr die Sicht, obwohl sie sich alle Mühe gab, sie wegzuwischen. Als sie die erste Brücke überquerten, hatte sie das Gefühl, an einem noch viel seltsameren Ort zu sein als nur in der Hauptstadt eines fremden Landes.

37

Stille
    Donner und seine Brüder fanden schließlich Bleiche Tochter, die in der Wildnis umherirrte und sich weder an ihren Namen erinnerte noch an irgendetwas anderes. Donner war es zufrieden, dass seine Ehre wiederhergestellt war, und dachte hinfort nicht mehr an seine Tochter. Sein Bruder Schwarzgrund indessen war nicht mehr glücklich mit seiner Gemahlin Abendlicht, denn die Musik ihrer Herzen war nicht mehr im Gleichklang. Er schickte sie fort und nahm statt ihrer Bleiche Tochter zur Frau. Er gab ihr einen neuen Namen, Morgenröte, damit sie ihre Vergangenheit endgültig hinter sich ließe. Von da an saß sie nur stumm neben ihm in den dunklen, unterirdischen Kammern, und wenn sie sich je wieder an ihr Kind Krummling oder ihren Gemahl Silberglanz erinnerte, gab sie es nicht zu erkennen.
    Einhundert Grundsteine,
Buch der Trauer
    Während Matthias Kettelsmit verschnaufte und sich den Schweiß von der Stirn wischte, spielte Puzzle einen Refrain auf der Laute. Die Melodie war etwas munterer ausgefallen, als es Kettelsmit angesichts des ernsten Themas seiner Verse lieb war, aber er war erst so spät fertig geworden, dass sie beide nicht viel Zeit für gemeinsame Proben gefunden hatten.
    Er nickte dem alten Hofnarren zu, um ihm zu bedeuten, dass er wieder bereit war. Die meisten Höflinge, wenn auch nicht alle, dämpften wieder höflich die Stimmen.
»Surazem, die Edle, im Kindbett schwitzt ...«
    deklamierte Kettelsmit in einem Singsang nach syanesischer Art, wie es bei höfischen Festlichkeiten inzwischen Mode war,
»Vier Winde zur Kühlung der Tapfren bereit.
Am Bette die Schwester — ihr Ebenbild — sitzt,
Onyena die Dunkle, durch den heiligen Schwur gebunden
wie der Ochs vor des Pfluges Spur.
Zu Sarissa liegt tot ihr eigenes Kind,
fahl und kalt, nur den Schnee zum ersten Kleid,
denn Sveros, der beiden roher Gemahl,
zur Hebamm' der Schwester sie befahl ...«
    Eine ganze Weile konnte Kettelsmit fast schon vergessen, was wirklich vor sich ging — dass fast niemand seinen Worten Gehör schenkte, dass der Radau von lauten Gesprächen und betrunkenem Gelächter es den wenigen Gästen, die zuhören wollten, nahezu unmöglich machte, ihn zu verstehen, und dass es derzeit ohnehin viel ernstere Dinge gab als selbst den Sturz der Götter —, und darin schwelgen, dass er im Moment zumindest vor dem versammelten Hofstaat von Südmark seine Verse zum Besten gab. Sein Werk!
»Doch als Perin, der Säugling, das Licht erblickt,

Sieht ihre Stund die Dunkle der beiden:

Aus dem Leibe der Schwester holt sie geschickt

Die Essenz des Gotts, der der Quell ihrer Leiden,

Damit zu empfangen der Kinder drei,

Zu rächen des einen erzwungnen Verrat,

Doch Schicksalhaftes beschwört sie herbei,

Denn mit der heimlichen Rachetat

Sät sie des schrecklichen Krieges Saat ...«.
    Einer der wenigen Menschen, die ihm zuhörten, war der Mann, der das Werk in Auftrag gegeben hatte, kein Geringerer als Hendon Tolly selbst, der ihm so viel Angst einflößte, wie Kettelsmit es nie für möglich gehalten hätte. Ein weiterer war Elan M'Cory, die junge Frau, der Kettelsmits schmerzliche Sehnsucht galt und der er versprochen hatte, ihr bis heute Abend Gift zu beschaffen.
    Schon ein seltsames Publikum,
musste er sich eingestehen.
    Zu jenen, die ihm ganz offensichtlich nicht zuhörten, zählte Hendons Bruder, der neue Herzog von Gronefeld. Mit dem vorspringenden Kinn und den breiten Schultern ähnelte Caradon eher dem toten Tolly-Bruder Gailon als Hendon. Sein kantiges Gesicht zeigte wenig von dem, was in ihm vorging — für Kettelsmit sah er eher aus wie eine Statue —, aber er war bekannt für seine Rohheit und Skrupellosigkeit, wenn er auch vielleicht nicht den gleichen Hang zur Grausamkeit hatte wie sein jüngerer Bruder. Gerade musterte Herzog Caradon den versammelten Hofadel von Südmark so unverhohlen, als stellte er im Kopf eine Liste auf, wer den Tollys wohl nützlich sein würde und wer nicht. Die Objekte seiner Aufmerksamkeit wirkten fast ausnahmslos nervös.
    Als Matt Kettelsmit diesen kalten, mächtigen Mann betrachtete, wurde ihm ganz flau.
Was denke ich mir dabei, mich in die Angelegenheiten der Tollys einzumischen? Diesen Leuten bin ich nicht gewachsen — sie

Weitere Kostenlose Bücher