Das Spiel
Namensgebungstag des jungen Olin Alessandros mit einer Versdichtung zu krönen, in der es darum ging, wie Herrschersöhne die Kinder einer anderen Gemahlin des alten Herrschers auslöschten. Wenn Olin oder einer der Zwillinge jemals den Thron wiedererlangten, würde ein solches Gedicht zu den Dingen gehören, die bei den Hochverratsprozessen herangezogen würden.
Hochverrat.
Als er die Stimme für die letzten Strophen erhob, fühlte Kettelsmit wieder, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach. Oh, Zosim, Schutzpatron der Dichter! Was sorgte er sich wegen etwas so Entferntem wie einem Hochverratsprozess? Er hatte an diesem Abend etwas vor, das ihn ohne jeden Prozess den Kopf kosten konnte!
Er stockte kurz, als Perin gerade im Begriff war, seinen grausamen, betrunkenen Vater zu stürzen. Normalerweise dachte Kettelsmit nicht groß an die Götter, außer in ihrer Eigenschaft als schier unerschöpflicher Stoff für die Dichtkunst, aber es gab Momente, da ihn seine Kindheitsfurcht vor ihnen plötzlich wieder überrollte, Momente, in denen er wieder in ihrem langen, kalten Schatten stand und wusste, dass er sich eines Tages vor ihnen würde verantworten müssen.
»Sveros, der Zwielichtherr, raset vor Wut:
›Wie wagen's die Söhne, mit welchem Recht?
Mein Fluch soll fallen wie ein Regen von Blut
Auf diese Zeit und mein gesamtes Geschlecht,
Bis alles vernichtet im letzten Gefecht.
Geschlagen in Ketten aus Kernios' Glut,
Wird er in ewiges Dunkel verbannt,
Dahinzutreiben im Schattenland,
bis Geist und Gefühle verflogen wie Sand ...‹«
Mit zittrigen Knien, sowohl vor Angst, als auch weil er so lange gestanden hatte, sprach er die letzten Zeilen, und Puzzle spielte eine abschließende Tonfolge auf der Laute. Kettelsmit verbeugte sich. Während die Höflinge zögerlich Hendon Tollys Beispiel folgten und klatschten oder gar ein paar lobende Worte riefen, erhob sich Elan M'Cory von ihrem Platz neben dem Reichshüter und wandte sich zum Gehen. Ganz kurz sah Kettelsmit ihre Augen unter dem Schleier in seine Richtung huschen, dann streckte Hendon Tolly die Hand aus und hielt sie fest.
»Aber wo wollt Ihr denn hin, liebe Schwägerin? Der Dichter hat hart gearbeitet, um uns dieses Werk darzubieten. Ihr werdet doch gewiss ein paar lobende Worte für ihn finden.«
»Lass sie gehen«, knurrte Caradon Tolly. »Lass sie alle gehen. Wir haben einiges zu besprechen, Bruder.«
»Aber unser armer Poet, der so nach freundlichen Worten schöner Frauen lechzt ...«, drängte Hendon grinsend.
Elan schwankte, und Kettelsmit hatte plötzlich Angst, dass sie zusammenbrechen würde, dass sie ohnmächtig am Boden liegen würde, von Zofen umringt, dass man nach dem Arzt schicken würde und all seine wohlüberlegten Pläne, sie aus ihrem Elend zu befreien, gescheitert wären. »Natürlich, lieber Schwager«, sagte sie matt. »Ich entbiete dem Dichter meine Anerkennung und meine Dankbarkeit. Es ist immer lehrreich, etwas über die Götter zu hören, denn so können wir Sterblichen lernen, uns gebührlich zu verhalten.« Sie deutete einen Knicks an, streckte dann eine zitternde Hand aus und ließ sich von einer ihrer Zofen aus dem Raum führen. Das Gemurmel der Unterhaltungen, das fast verstummt war, schwoll wieder an.
»Den Göttern sei Dank, dass meine Frau nicht so ein zartes Pflänzchen ist«, sagte Caradon mit abschätzig gekräuselten Lippen. »Die kleine Elan war immer schon die Schwermütige in der Familie.«
Hendon Tolly winkte Kettelsmit zu sich. Er zog einen Beutel mit etwas Klimperndem hervor und legte ihn Kettelsmit in die Hände.
»Ich danke Euch, edler Herr Tolly.« Er steckte den Beutel weg, ohne ihn in der Hand zu wiegen — überhaupt irgendetwas anderes von diesem Mann zu bekommen als einen Schlag ins Gesicht, war bereits ein großes Geschenk. »Ihr seid sehr gütig. Es freut mich, dass meine Worte ...«
»Ja, ja. Sie haben mich amüsiert, und das passiert dieser Tage selten. Habt Ihr gesehen, wie sich der alte Brone gewunden hat, bei dem Teil mit ›Ewig soll tränken diese stolze, freie Erde zu unserer Ehre das Tyrannenblut‹? Das war wirklich sehr komisch.«
»Ich ... Das habe ich nicht bemerkt, Herr.«
Tolly zuckte die Achseln. »Trotzdem, es ist, wie Fische in einer Suppenschüssel zu spießen. Ich vermisse den Hof von Syan, dort haben alle einen messerscharfen Witz. Dort weiß man einen guten Scherz zu schätzen. Nicht so wie hier oder im Haus unserer Familie, wo es ist, als speiste man mit dem Hilfspriester irgendeines
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