Das Spiel
noch verkraften,
Kurs,
aber dann ist Schluss«, berichtete der Mann. »Wir haben Glück, wenn sie morgen noch steht.«
»Dann müssen wir die neue Mauer eben noch heute fertig bekommen.« Der Graf drehte sich um und rief nach dem Vorarbeiter Irinnis. »Was können wir noch tun?«, fragte er, als der Mann vortrat. »Die Außenmauer vermag nur noch wenige Schüsse dieser monströsen Bombarden auszuhalten.« Graf Perivos hatte gelernt, Irinnis zu vertrauen, einem kleinen, verschwitzten Mann aus Krace, der großes Organisationstalent bewies und bereits für Heerführer beider Kontinente gekämpft — oder zumindest gebaut — hatte.
Irinnis kratzte sich das erschlaffte Kinn und sah sich in dem Hof um — vor kurzem hatte sich hier einer der schönsten Gärten der Zitadelle befunden, aber jetzt war davon nur noch eine Trümmerlandschaft übrig. Die Ersatzmauer, die in leicht gerundeter Form hinter der ramponierten Außenmauer errichtet wurde, war so gut wie fertig. »Ich hätte gerne noch Zeit, um sie zu tünchen,
Kurs«,
bat er blinzelnd.
»Tünchen?«
Akuanis beugte sich vor, weil er glaubte, nicht richtig gehört zu haben. Seine Ohren klangen immer noch vom Einschlag des letzten Tausendpfünders. »Du hast doch nicht ›tünchen‹ gesagt? Während uns hier gerade die Zitadelle um die Ohren fliegt?«
Irinnis runzelte die Stirn — nicht die Miene eines Beleidigten, sondern die eines Militäringenieurs, der verwundert feststellen muss, dass Zivilisten, und seien sie so begabt und erfahren in Kriegsdingen wie Graf Perivos, kein ganz gewöhnliches Hierosolinisch verstanden. »Natürlich doch tünchen, Herr, mit Asche oder schwarzem Schlamm, damit die Xixier sie nicht mehr erkennen können.«
»Damit ...« Perivos Akuanis schüttelte den Kopf. Überall im Garten eilten die Männer, die den letzten Einschlag unbeschadet oder nur leicht verletzt überlebt hatten, wieder an ihre Arbeit. »Ich muss gestehen, dass ich dir nicht folgen kann.«
»Was nutzen uns die Schießscharten,
Kurs«,
sagte Irinnis und zeigte auf die Stellungen für die Bogenschützen, die in die gerundete neue Mauer eingebaut worden waren, »wenn die Landungstruppen des Autarchen gar nicht erst versuchen, durch die Bresche zu kommen, die ihre Kanonen in die Außenmauer geschossen haben? Und wenn sie die neue Mauer zu schnell sehen, dann kommen sie nicht durch die Bresche und sterben nicht, wie es sich für xixische Hunde gehört.«
»Aha. Also tünchen ...«
»Nur ein bisschen Schlamm, wenn wir nichts Besseres auftreiben können — irgendwas Dunkles. Bisschen Dreck unten an die Mauer werfen. Dann bemerken sie die Falle nicht, eh wir die Hälfte dieser hundefressenden Bastarde abgeschossen haben ...«
Die leidenschaftlichen Ausführungen des Vorarbeiters wurden dadurch unterbrochen, dass Graf Perivos' Sekretär, der die Evakuierung des Palasts beaufsichtigt hatte, über den Hof gerannt kam, als würde er von Säbelzahntigern gejagt.
»Kurs!«,
brüllte er. »Der Protektor hat den fremden König den Xixiern übergebenl«
Perivos Akuanis brauchte einen Augenblick, um die Nachricht zu deuten. »Ihr meint König Olin? Wollt Ihr sagen, Ludis hat König Olin von Südmark dem Autarchen übergeben? Warum sollte er das tun?«
Sein Sekretär musste erst einmal verschnaufen, die Hände auf die Knie gestützt. »Warum weiß ich nicht, Herr. Aber Drakavas Widdergarde kam ihn holen, noch bevor ich ihn und die anderen Gefangenen verlegen konnte. Es tut mir leid,
Kurs.
Ich habe versagt.«
»Nein, Euch trifft keine Schuld.« Akuanis schüttelte den Kopf. »Aber warum seid Ihr Euch so sicher, dass sie Olin zum Autarchen bringen wollen und nicht einfach nur zu Ludis?«
»Weil der Hauptmann der Widder einen Befehl bei sich hatte, mit dem Siegel des Protektors. Da stand ganz genau, was sie mit ihm machen sollten — ihn aus der Zelle holen und zum Tor zum Nektarios-Hafen bringen, wo er den Xixiern übergeben werden soll, im Tausch für ›die bereits vereinbarten Rücksichten« oder dergleichen.«
Graf Perivos roch, dass da etwas äußerst faul sein musste. Warum sollte Ludis ein so wertvolles Pfand wie Olin hergeben, wenn nicht im Tausch gegen den Abbruch der Belagerung? Aber Sulepis würde doch niemals nur im Austausch gegen einen fremden König, noch dazu den König eines so kleinen Landes, die Belagerung einstellen? Eines Landes, das es nach fast einem Jahr noch nicht geschafft hatte, ihn aus Ludis' Händen freizukaufen? Das ergab doch keinerlei Sinn.
Aber es
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