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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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viele Zwielichtler auch hier versammelt waren. Und wie still sie waren, diese Qar, wie sie sich selbst nannten, in der Tat so lautlos wie Katzen. Es war, als ob man in eine Versammlung von finsteren Gassengestalten platzte: Sämtliche Gesichter wandten sich mit seltsam glimmenden Augen den Neuankömmlingen zu, aber die Gesichter blieben völlig ausdruckslos. Manche sahen so erschreckend aus, dass sie ihren Anblick kaum ertragen konnte. Sobald einer von ihnen fauchend die Lippe emporzog und nadelspitze Zähne entblößte, erstarrte Utta vor Angst, ins Stolpern zu geraten und hinzufallen.
    »Jetzt ist es nicht mehr weit«, sagte Kayyin freundlich und fasste sie wieder am Arm. »Sie wartet gleich da vorn — seht Ihr sie? Ist sie nicht wunderschön?«
    Utta ließ sich in die freie Mitte des Raums fuhren, wo sich nichts befand als ein wenig ansehnlicher Sessel und zwei Personen, von denen die eine saß und die andere stand. Die hinter dem Sessel stehende Person war eine Frau in einem schlichten Kleid, aber mit Augen, die wie beschlagene Spiegel schimmerten.
    Die Frau auf dem Stuhl wirkte auf den ersten Blick wenig ungewöhnlich, außer dass sie es an Größe mit jedem Mann aufnehmen konnte und, soweit es sich durch ihre mit Stacheln bewehrte, lichtschluckend dunkle Rüstung beurteilen ließ, fast schon jammervoll dünn war. Sie hatte den kältesten Gesichtsausdruck, den Utta je gesehen hatte. Neben ihr wirkte selbst die für ihre Strenge berühmte Kerniosstatue auf dem Marktplatz wie ein netter Lieblingsonkel. Ihre hoch sitzenden, schlitzförmigen Augen und der breite, blasslippige Mund wirkten wie in Stein gemeißelt. Utta zitterten wieder die Knie. Wie hatte der seltsame Mann sie genannt — eine Blutsverwandte des Todes?
Barmherzige Zoria und alle Götter des Himmels, sie sah aus wie der Tod höchstpersönlich.
    Auch Merolanna schien der Mut verlassen zu haben. Kayyin musste sie vorwärtsschieben, und ihre Schritte wurden immer schwerer, bis sie schließlich beide kurz vor dem Thron auf die Knie sanken.
    »Herzogin Merolanna Eddon, Mitglied der königlichen Familie von Südmark«, verkündete Kayyin wie der Ausrufer bei einem Hofball. Wenn er tatsächlich einmal auf der Burg gelebt hatte, war es nicht verwunderlich, dass er Merolannas Namen kannte, befand Utta. Doch dann fügte er hinzu: »Und das ist Utta Fornsdodir, eine Zorienschwester. Sie bitten um Audienz, Fürstin Yasammez.«
    Der Blick der Frau in der schwarzen Rüstung glitt wie eine eisige Hand über Merolanna und Utta. Dann wandte sie sich ab, als wären die beiden Frauen Luft. »Eure Späße belustigen mich nicht, Kayyin.« Ihre Stimme war so kalt wie ihr Blick, und sie hatte einen fremden, altertümlichen Tonfall. »Schafft sie weg.« Sie spreizte die langen, weißen Finger, flüsterte etwas und sagte dann laut und in einer Sprache, die Merolanna und Utta nur zu gut verstanden: »Tötet sie.«
    »Wartet!« Merolannas Stimme zitterte, aber sie rappelte sich in den Stand hoch, während Utta in der Gewissheit, dass ihr letztes Stündlein geschlagen hatte, zu beten begann. »Ich komme nicht als Eure Feindin, sondern als Mutter — als eine Mutter, der Unrecht geschehen ist. Ich wollte Euch bitten, mir eine Gnade zu erweisen, und Ihr wollt mich töten?«
    Yasammez starrte sie aus schwarzen, unergründlichen Augen an. »Aber ich bin keine Mutter«, sagte die Elbenfrau. »Nicht mehr. Was wollt Ihr?«
    »Mein Kind. Meinen Sohn. Man sagte mir, er sei von den Zwie ... von den Qar mitgenommen worden. Von Eurem Volk. Ich möchte wissen, was mit ihm geschehen ist.« Im Reden erlangte sie wieder Kraft. Sie nötigte Utta Bewunderung ab. Bei all ihren Schwächen, feige war Merolanna nicht.
    »Habt Ihr gehört?«, mischte sich Kayyin plötzlich ein. »Sie wendet sich an Euch von Frau zu Frau. Von Mutter zu Mutter.« Sein Ton hatte etwas seltsam Spitzes. »Dem werdet Ihr Euer Herz doch nicht verschließen — Mutter?«
    Yasammez warf ihm den vernichtendsten Blick zu, den Utta je gesehen hatte. Hätte er ihr gegolten, wäre sie sicher zusammengeschrumpelt und verbrannt wie ein dürres Blatt im Feuer. Ein scharfer, aber seltsam fließender Schwall von Worten kam aus dem Mund der Frau in der schwarzen Rüstung. Kayyin lächelte, aber es war das schmerzerfüllte Lächeln eines Mannes, der sich selbst die Nase abgeschnitten hatte, um seinem Gesicht eins auszuwischen.
    Die Blutsverwandte des Todes drehte sich um und fixierte Utta und Merolanna — diesmal vermochte Utta dem

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