Das Spiel
eigentlich treiben. Das kann ich einfach nicht. Meine Sachen ... kostbar ...« Der Arzt verfiel in ein Murmeln, das Chert nicht entschlüsseln konnte, stieß sich von der Wand ab und schritt mutig voran durch die langen dämmrigen Stollenabschnitte zwischen den Steinlampen, ein Dämmerdunkel, das, wie Chert wusste, einem Oberirdler als tiefste, undurchdringliche Finsternis erscheinen musste.
Während Chert kurz innehielt, um ein frisches Stückchen Korallenstein ins Salzwasser der Laterne plumpsen zu lassen, musste er unwillkürlich an seine letzten beiden Expeditionen durch diese Tunnel denken. Denselben Weg war er mit Flint gegangen, um Chaven den seltsamen Stein zu zeigen, und die entgegengesetzte Richtung hatte er mit Gil eingeschlagen, um die von Zwielichtlern besetzte Stadt auf der anderen Seite der Bucht zu erreichen. Wie konnte es nur sein, dass sein kürzlich noch so ruhiges Leben aus geordneten Tagen und friedlichen Nächten so mir nichts, dir nichts umgekrempelt worden war wie ein Hemd, das Opalia nach dem Waschen über einen heißen Stein breitete?
»Und dieser Stein, Flints Stein, hat einen Prinzen getötet ...«, murmelte Chert vor sich hin. Er musste sich sputen, um mit dem Arzt Schritt zu halten. Trotz der unglaublichen Dinge, die ihm in den letzten paar Tagen widerfahren waren, konnte er es kaum glauben. Chavens ganze Geschichte war einfach zu abenteuerlich. Er selbst, Chert Blauquarz, hatte diesen Stein in der Hand gehalten!
Chaven, der immer noch verbissen vorausmarschierte, schien nichts gehört zu haben. »Wenn ich nun diesen Wie-hieß-er-gleich-Stein in den Mund gesteckt hätte«, fuhr Chert ein wenig lauter fort, »wäre ich dann auch zu einem Dämon geworden? Oder hätte es dafür noch einen Zauberspruch gebraucht?«
»Wie?« Chaven schien in einem Traum gefangen, der ihn nicht so leicht wieder losließ. »Den Kulikos-Stein? Nein, nur wenn Ihr den Zauber beherrscht hättet, der ihm Macht und Leben verlieh, und dafür hätte es mehr gebraucht als nur Worte.«
»Mehr als nur Worte?«
»Jene Art alter Weisheit, die die Menschen Magie nennen, funktioniert nicht einfach wie ein Türschloss, das jeder zu öffnen vermag, der den richtigen Schlüssel besitzt. Diejenigen Eures Volkes, die Kristalle und Edelsteine bearbeiten — nehmen sie vielleicht einfach einen Stein, hauen einmal darauf, und schon nimmt er Form an? Oder ist dafür nicht doch mehr nötig?«
»Natürlich ist dafür mehr nötig. Jahrelange Übung, und selbst dann noch zerspringen ihnen Steine.«
»So wäre es auch, wenn Ihr den Kulikos jetzt in der Hand hieltet und ich Euch die uralten Worte verraten würde. Ihr könntet sie hundertmal auf hundert verschiedene Arten aussprechen und hättet doch nur einen Klumpen von kaltem Stein in der Hand. Die alten Künste erfordern Übung, Disziplin und Opfer — und selbst dann sind die Kosten oft größer als der Ertrag ...« Seine Stimme verlor sich. Dann zitterte sie, als er sagte: »Manchmal sind die Kosten entsetzlich.«
Chert legte ihm die Hand auf die Schulter. »Wir nähern uns jetzt dem Untergrund Eures Hauses. Wir sollten versuchen, möglichst leise zu sein. Selbst wenn sie die Geheimtür noch nicht entdeckt haben sollten, könnten sie uns doch durch die Wände hören und den Geräuschen nachgehen wollen.«
Chaven nickte. Er wirkte angespannt und ängstlich, so als hätte er das schreckliche Kindheitserlebnis, nachdem er einmal davon erzählt hatte, nicht wieder abzuschütteln vermocht.
Zwei primitive Stollen weiter standen sie plötzlich vor der Tür, die in dieser verlassenen, abgelegenen Gegend einen verblüffenden Anblick bot. Das polierte Hartholz und die blanken Bronzebeschläge glänzten selbst im schwachen Schein des Korallenlichts. Chert hätte Chaven gerne gefragt, ob er ab und zu persönlich hier herausgekommen war, um die Tür zu pflegen, da ja keiner seiner Diener von deren Existenz wusste, aber er durfte keinen Mucks von sich geben, ehe sie nicht sicher waren, wer oder was sich jenseits der Tür befand.
Chert blickte auf die Tür, die weder Klinke noch Riegel, ja nicht einmal ein Schlüsselloch aufwies. Da war nur der Klingelzug — und den würden sie ganz gewiss nicht benutzen. Der Arzt zupfte Chert am Ärmel und machte dann eine seltsame Geste, die der Funderling nicht deuten konnte. Chaven wiederholte die Geste, wedelte immer ungeduldiger mit den verbundenen Fingern, bis Chert endlich begriff, dass er sich umdrehen sollte — dass da etwas war, das er nicht
Weitere Kostenlose Bücher