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Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
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Durst stillen kann, dann werde ich Euch aus dem Weg gehen, Herr.‹
    Krummling war nicht begeistert, aber er wusste, was sich gehörte, und die Frau war wirklich sehr, sehr alt, also ging er zum Bach neben der Straße, schöpfte etwas Wasser mit der hohlen Hand und brachte es der Frau. Als sie es getrunken hatte, schüttelte sie den Kopf.
    ›Das lindert meinen Durst nicht im Geringsten. Ich brauche mehr.‹
    Krummling nahm einen riesigen Felsblock und höhlte ihn mit seiner bronzenen Hand aus. Dann füllte er ihn am Bach und brachte ihn zu der alten Frau. So schwer war der Stein mit dem Wasser, dass er den Boden erbeben ließ, als ihn Krummling absetzte. Aber das alte Weiblein hob ihn mit einer Hand, trank ihn aus und schüttelte den Kopf ›Mehr‹, sagte sie. ›Meine Kehle ist immer noch so trocken wie die staubigen Felder vor Steinmanns Palast.‹
    Staunend, aber auch wütend, weil ihn die Alte aufhielt und herumkommandierte, ging er zum Bach, riss mit bloßen Händen das Bachbett auf und leitete das Wasser so um, dass es zu dem alten Weib hin floss. Aber sie öffnete nur den Mund und trank den ganzen Bach aus, sodass alle Bäume im Tal verdorrten.
    ›Mehr‹, sagte sie. ›Seid Ihr so nichtsnutzig, dass Ihr einer alten Frau nicht helfen könnt, ihren Durst zu stillen?‹
    ›Ich weiß nicht, wie du das machst‹, entgegnete er, so rasend vor Zorn, dass das Feuer seines verbannten Oheims in seinen Augen lohte und den Schatten aus dem Tal vertrieb, ›aber jetzt werde ich meine gute Kinderstube vergessen. Wo ich schon die Bürde der schmählichen Niederlage meiner Familie trage, muss ich mich da auch noch von einem alten Bauernweib aufhalten lassen? Geh mir aus dem Weg, oder ich werfe dich von der Straße!‹
    ›Ich gehe nirgends hin, ehe ich nicht fertig bin‹, sagte die alte Vettel.
    Krummling stürzte sich auf sie und packte sie mit seiner Elfenbeinhand, konnte die Alte aber nicht hochziehen, so sehr er sich auch mühte. Da packte er sie auch noch mit der anderen Hand, der Bronzehand, die stärker als stark war, aber er konnte die Alte noch immer nicht hochziehen. Er umfasste sie mit beiden Armen und zog mit aller Kraft, bis ihm war, als müsste sein Herz vor Anstrengung zerspringen, aber er konnte die alte Frau nicht einen Zoll bewegen.
    Erschöpft ließ sich Krummling neben ihr auf die Straße sinken und sagte: ›Altes Weib, Ihr habt geschafft, was hundert starke Männer nicht vermochten: mich zu besiegen. Ich gebe mich in Eure Hände. Ihr mögt mich töten, versklaven oder als Geisel festhalten, ganz wie Ihr wollt.‹
    Da warf die Alte den Kopf zurück und lachte. ›Du hast mich immer noch nicht erkannt! Du erkennst deine eigene Urgroßmutter nicht!‹
    Er sah sie verblüfft an. ›Was soll das heißen?‹
    ›Genau das, was ich sage. Ich bin Leere, dein Vater war einer meiner Enkelsöhne. Du könntest mich mit allen Meeren der Welt füllen, und ich wäre immer noch nicht voll, weil Leere niemals gefüllt werden kann. Du könntest alle Wesen der Welt zu Hilfe holen und würdest mich immer noch nicht heben können, weil Leere sich nicht bewegen lässt. Warum bist du nicht einfach um mich herumgegangen?‹
    Krummling ging vor ihr auf die Knie und verbeugte sich tief, bis er mit der Stirn den Boden berührte, wie es die Geste der Sterbenden Blume verlangt. ›Ehrwürdige Großmutter, Ihr sitzt mitten auf einer schmalen Straße. Ich fand keinen Weg um Euch herum und wollte auch nicht umkehren.‹
    ›Es gibt immer einen Weg außen herum, wenn du nur durch mein Gebiet gehst. Komm, Kind, ich zeige dir, wie man durch das Land der Leere reist. Es liegt außerhalb von allem und überall, ist so nah wie ein Gedanke und so unsichtbar wie ein Gebet.‹
    Und so geschah es. Als Krummling alles gelernt hatte, verbeugte er sich noch einmal vor seiner Urgroßmutter und versprach, ihr zum Dank eines Tages ein großes Geschenk zu machen. Dann zog er seines Weges, dachte über sein neues Wissen nach und sann auf Rache an allen, die ihm Unrecht angetan hatten.«
     
    Vansen fragte sich, ob ihm dieses neuerliche Umherirren hinter der Schattengrenze nicht doch den Verstand raubte. Auch als die raue Stimme des Raben längst verstummt war, fühlte Vansen Worte in seinem Kopf, so als ob jemand knapp außerhalb seiner Hörweite vor sich hin murmelte.
    »Unsinn«, sagte Barrick nach längerem Schweigen. »Gyir sagt, die Geschichte des Raben ist Unsinn.«
    »Sie ist wahr, von Anfang bis End, unsereins schwört es bei seinem

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