Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel

Das Spiel

Titel: Das Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
den vorkragenden Häusern dem Wasser kam, desto mehr dunkelhäutige Gesichter und großäugige, schweigsame Skimmer bemerkte Briony wieder. Der leicht faulige Geruch des Wassers wurde stärker, schien jetzt jeden Atemzug und jeden Gedanken zu würzen. Sie fragte sich, ob sie je den breiten Wasserarm der Brennsbucht überqueren würde, um in aller Offenheit und Sicherheit nach Hause zurückzukehren; ob ihre Familie je wieder versammelt sein würde. Barricks Bild im Spiegel hatte sie sehr erschreckt — war es ein Omen? Versuchten die Götter, ihr etwas mitzuteilen? Sie wusste, dass die Menschen manchmal von Dingen träumten, die ihnen Sorgen bereiteten, und ob ihr dieser Wachtraum nun von den Göttern geschickt worden war oder nicht — fest stand, dass Barricks Schicksal das war, was ihr die größten Sorgen bereitete.
    Sie erreichten eine Reihe von baufälligen Speicherhäusern an einem Kanal, der in die Brennsbucht floss. Durch die Lücken zwischen den Häusern war die Bucht selbst zu erkennen, nur einen Steinwurf entfernt. Über den Dächern schaukelten die Masten von mindestens einem Dutzend Schiffen.
    Effir dan-Mozan führte sie durch die Eingangstür eines der größeren Gebäude. Drinnen stellte Briony fest, dass es gar kein Speicherhaus war: Der erste Raum war zwar lang gestreckt und niedrig wie eine Lagerhalle, doch die Wände zierten wunderschöne Wandteppiche mit fremdartigen Motiven — Vögeln, Wildtieren und Bäumen von unvertrauter Gestalt. Ein Mann, der noch kleiner und rundlicher war als Effir, stand mit weit ausgebreiteten Armen in der Mitte des Raumes, ein breites Lächeln im bärtigen Gesicht. »Ziya dan-Mozan! Ihr und Eure Familie seid eine Zierde meines bescheidenen Lokals!«
    »Ihr tut mir zuviel der Ehre, Baddara«, erwiderte der Kaufmann mit einer kleinen Verbeugung.
    »Kommt, kommt, ich habe Euch das beste Zimmer reserviert.« Baddara nahm dan-Mozan bei der Hand und führte ihn zu einer Tür im hinteren Teil des Raumes. Dabei gestikulierte er lebhaft und überschüttete ihn mit einem Wortschwall, der mit Schiffen und mit den
Gawa
-Preisen zu tun hatte. Die restliche Gesellschaft folgte den beiden.
    Briony hatte zu Shaso aufgeschlossen. »Wie kommt es, dass er unsere Sprache spricht?«
    »Weil er kein Tuani ist«, knurrte der alte Mann. »Er kommt aus Sania, dort spricht man eine andere Sprache. Auf dem südlichen Kontinent ist Xixisch oder Mihanni die allgemeine Verständigungssprache. Hier ist es die Eure.«
    Der Mann führte sie durch einen länglichen Raum voller Tische, an denen Männer in südländischer wie auch einheimischer Kleidung saßen. Viele grüßten Effir dan-Mozan achtungsvoll, und er nahm die Respektsbezeugungen ganz selbstverständlich entgegen. Shaso hingegen hielt den Kopf gesenkt, bemüht, keinen der Blicke zu erwidern, und Briony wurde plötzlich klar, dass sie mit ihren auffallend fremden Augen gut daran tat, seinem Beispiel zu folgen. Baddara führte sie in einen separaten Raum, dessen Wände weitere prächtige Wandteppiche schmückten: Jagd- und Bootsfahrtszenen auf schimmernden Stoffen, in einer Technik gefertigt, die Briony noch nie gesehen hatte. Der kleine Mann rief mehreren älteren, bärtigen Männern, deren Aufgabe es offenkundig war, die Gäste zu bedienen, Anweisungen zu und eilte dann nach einer weiteren kunstvollen Verbeugung davon.
    Briony nahm mit einem gewissen Unmut zur Kenntnis, dass die tuanischen Anstandsregeln immer noch galten, obwohl sie doch den Raum für sich hatten: Sie und die anderen Frauen saßen am einen Ende des Tisches, während die Männer am anderen Ende Platz genommen hatten, und zwischen den beiden Fraktionen war auf jeder Tischseite ein Stuhl unbesetzt geblieben. Dennoch, es war eine Gelegenheit, einmal etwas anderes zu sehen als die Wände des
Hadar,
und Briony versuchte, das Beste daraus zu machen. Die Wandteppiche zumindest waren ein Genuss, viele mit etwas verziert, das aussah wie echter Goldfaden, und alle mit viel Sinn für Farbe und großer Liebe zum Detail angefertigt. So gefesselt war Briony von diesen Wandteppichen, dass ihr die Fensterlosigkeit des Raums erst nach einer ganzen Weile auffiel. Die Szenen auf den Teppichen schienen viel beruhigender und erheiternder als alles, was sie draußen in diesem kleinen Hafen hätte sehen können.
    Baddaras Aufwärter brachten ihnen mehrere Gänge nacheinander: Fruchtstücke mit sahniger Tunke, Brot, Käse und Pökelfleisch. Sowohl die Frauen als auch die Männer tranken Wein, aber

Weitere Kostenlose Bücher