Das Spiel
wollten Euch möglichst schnell davon berichten.«
»Danke, Effir.« Sie sah Shaso an und fragte sich, ob er wirklich so erpicht darauf war, sie von dem, was sie gehört hatten, in Kenntnis zu setzen: Er sah aus, als hätte er gerade etwas sehr Saures gegessen.
»Zunächst einmal hat ein Trupp Soldaten von der Südmarksburg in Landers Port herumgefragt. Sie scheinen aber nichts Brauchbares erfahren zu haben und sind vor ein, zwei Tagen weitergezogen. Ich denke, das wird Euch erleichtern.«
»Ja. Ja, das tut es.« Der heutige Ausflug hatte ihr gezeigt, wie ungern sie draußen fremden Blicken ausgesetzt war, aber sie wusste auch, dass sie sich nicht ewig im Haus des Kaufmanns verstecken konnte.
»Außerdem«, fuhr dan-Mozan fort, »sind alle, die aus dem Süden kommen, überzeugt, dass der Autarch sein Schiffbauprogramm mit aller Macht vorantreibt, was wiederum darauf hindeutet, dass er einen Angriff auf Hierosol plant. Die meisten anderen Länder Xands sind bereits befriedet, und die, die dem Autarchen den erbittertsten Widerstand leisten, liegen in den südlichen Gebirgsregionen. Dort könnte er mit einer großen Flotte wenig anfangen.«
»Aber Hierosol ... dort sitzt doch mein Vater gefangen!«
»Gewiss, Hoheit.« Dan-Mozan verneigte sich, als ob er von einer traurigen, aber unabänderlichen Tatsache spräche, irgendeiner weit zurückliegenden Tragödie. »Ich denke, Ihr solltet dennoch nicht übermäßig besorgt sein. Selbst wenn Autarch Sulepis dreihundert Kriegsschiffe aufbieten kann, wird es ihm doch niemals gelingen, Hierosol in die Knie zu zwingen.«
»Warum seid Ihr Euch da so sicher?« Sie wollte es nur zu gern glauben. Es war eine schreckliche Vorstellung, hier festzusitzen, während Hierosol angegriffen wurde. So töricht und wahrscheinlich auch tödlich eine solche Reaktion wäre, würde es sie doch alle Überwindung kosten, sich nicht mit etwas gestohlenem Proviant aus dem Haus zu schleichen und auf den Weg nach Süden zu machen.
»Weil die Mauern von Hierosol die stärksten auf beiden Kontinenten sind. Fast zweitausend Jahre hat sie niemand zu überwinden vermocht. Und außerdem haben die Hierosoliner selbst eine mächtige Flotte.«
»Trotzdem ist Hierosol schon mehrmals gefallen«, knurrte Shaso, der bis dahin schweigend den kahlen Baum betrachtet hatte, als hätte er noch nie etwas Interessanteres gesehen. »Gewöhnlich durch Verrat. Und Sulepis hat sich schon mehr als einmal dieses Mittels bedient — habt Ihr Talleno und Ulos vergessen?«
Effir dan-Mozan lächelte und wedelte mit der Hand, als wollte er Mücken verscheuchen. »Nein, und Ludis Drakava hat es auch nicht vergessen, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Bedenkt doch, seine Leute können wohl kaum Illusionen hegen, was ein Triumph des Autarchen bedeuten würde. Die Ulosier, die zu Xis überliefen, wussten das nicht und mussten teuer dafür bezahlen. Ludis und seine Männer sind dahergelaufene Banditen, vergesst das nicht. Außerhalb ihrer Stadt haben sie keinerlei Macht. Kein einziger unter den Leuten des Protektors wird glauben, mit Sulepis einen besseren Handel schließen zu können.«
»Ja, aber es gibt viele, die Ludis entmachtet hat, den alten Adel von Hierosol. Diese Männer könnten doch ihre Chance wittern.«
Wieder machte der Kaufmann eine abfällige Handbewegung. »Wir langweilen Prinzessin Briony mit diesem Gerede. Sie sucht beruhigende Antworten, und wir bieten ihr nur neue Fragen.« Er sah Briony scharf an. »Ihr habt mein Wort, Hoheit. Die Orakel lehren uns zwar, dass nur ein Narr ›niemals‹ sagt, aber ich verspreche Euch, dass der Autarch Hierosol nicht in diesem und auch nicht im nächsten Jahr einnehmen wird. Wir haben genügend Zeit, um Euren Vater zu befreien.«
Shaso murmelte etwas in seinen Bart, das Briony nicht verstand. »Was habt Ihr heute sonst noch erfahren?«, fragte sie. »Irgendetwas über meinen Bruder oder Südmark?«
»Nichts, was wir nicht schon wussten, in groben Zügen jedenfalls. Das einzig Interessante war, dass es einen neuen Vogt auf der Südmarksburg geben soll — einen Mann namens Fretup.«
Shaso fluchte, aber Briony sagte der Name im ersten Moment nichts. »Augenblick — ist das nicht Brones Sekretär?« Sie fühlte Zorn in sich aufsteigen. »Wenn er seinen Sekretär als Vogt eingesetzt hat, muss es Avin Brone unter den Tollys ja wirklich gut gehen.« Konnte es sein, dass der Konnetabel, einer der ältesten Freunde und engsten Ratgeber ihres Vaters, von Anfang an mit den
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