Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
seine Hand zögern. Er hätte keinen Grund dafür nennen können, außer, dass er sich jedes Mal, wenn er sie heben wollte, sofort dagegen entschied.
Einen Moment lang starrte Nathan auf die Spielfiguren. Der Drang zu handeln war genauso stark wie der, die Figur nicht in die Hand zu nehmen. Er zwang sich aber selbst dazu, nichts zu berühren, denn er wollte keinen Zug machen, bevor er nicht mehr Durchblick hatte.
Es ist ein Zwei-Personen-Spiel. Da nicht ich den ersten Zug gemacht habe, ist der zweite offensichtlich meiner. Nathan atmete tief ein und wieder aus. Nur dass ich gar nicht weiß, was ich da tue.
Er trat ein paar Schritte von dem Spiel zurück und der Wunsch, etwas zu bewegen, ließ nach. Distanz schien dabei eindeutig zu helfen.
G eduscht und angezogen, mit geputzten Zähnen und mehr oder weniger gekämmtem Haar packte Nathan sein Netbook in den Rucksack, hievte ihn sich über die Schulter und ging nach unten ins Erdgeschoss. Unter der Dusche hatte er die ganze Zeit über an seinen Traum gedacht, hauptsächlich an die guten Sequenzen. Wieer Kukulkan begegnet und mit ihm geflogen war. Er hatte sich so gut mit ihm unterhalten und wollte es so gerne wieder tun.
Onkel William hörte ihn schon, als er auf der untersten Treppenstufe stand.
»Nathan? Frühstück ist fertig. Komm, iss etwas.« Sein Onkel stand vor dem Herd und winkte ihm mit der Waffelzange zu.
Professor William Richards war leicht übergewichtig, genauso wie sein älterer Bruder, hatte krauses Haar, einen roten Vollbart, große blaue Augen und Sommersprossen auf Nase und Wangen. Wie gewöhnlich trug er Pullover, Fliege und schwarze Hosen. Obwohl er – gegen seinen Wunsch – von Alyssas Mutter geschieden war, trug er immer noch seinen goldenen Ehering am Finger.
Der Mann hat Ohren wie ein Luchs. Nathan trottete in die geräumige Küche und ließ seinen Rucksack auf einen der Stühle am Frühstückstisch fallen.
Alyssa war mit ihrem Frühstück schon fast fertig.
Nathan seufzte. »Ich hab eigentlich keinen Hunger.«
»Unsinn.« Onkel William nahm eine frische Waffel aus dem Waffeleisen und legte sie auf einen Teller. »Jetzt ist Frühstückszeit. Und was fällt uns zum Thema Frühstück ein, Alyssa?«
Alyssa grinste Nathan breit an. »Die wichtigste Mahlzeit am Tag.«
Nathan beachtete sie gar nicht. Er setzte sich und sein Onkel stellte den Teller mit der Waffel vor ihn hin. Gehorsam strich Nathan sich Butter auf die Waffel und träufelte so lange Sirup darüber, bis sein Onkel ihm auch noch zwei Würstchen auf den Teller lud.
Alyssa signalisierte Nathan stillschweigend, er solle essen, und ihre Augen verengten sich zu warnenden Schlitzen.
Nathan war schwer versucht, ihre Aufforderung schlichtweg zu ignorieren, aber an diesem Morgen hatte er einfach nicht genug Energie, um zu kämpfen. »Danke.«
»Bitte schön.« Onkel William strahlte bis über beide Ohren.
Nathan merkte erst, wie hungrig er eigentlich war, als er zu essen anfing. Er verschlang die erste Waffel und bat zu Onkel Williams größter Freude um noch eine.
Onkel William füllte das Waffeleisen ein zweites Mal.
»Na, habt ihr heute schon irgendwelche großen Pläne?«
Alyssa fixierte Nathan und antwortete als Erste: »Nur das Übliche, Dad.«
»Erzähl mir noch ein bisschen über euer Journalismus-Projekt.«
» Ich glaube, das wird richtig spannend. Ms Champlain will, dass alle, die den Kurs belegt haben, Felduntersuchungen bei ungeklärten Kriminalfällen durchführen. Du weißt schon, Mordermittlungen, die zu keinem Ergebnis geführt haben. Sie möchte wissen, wie wir die Verbrechen einschätzen.«
Onkel William drehte sich zu Alyssa um und sah sie besorgt an. »Mordermittlungen?«
»Genau.« Alyssa hörte Unbehagen in der Stimme ihres Vaters und beeilte sich weiterzusprechen. »Keine große Sache, ehrlich. Es geht nur darum, viele Zeitungsartikel zu lesen und mit den Ermittlern von Mordkommissionen und der Staatsanwaltschaft zu telefonieren.«
Das klang interessant. Aber Nathan ließ sich seine Neugierde nicht anmerken. Wenn Alyssa sah, wie fasziniert er war, dann würde sie ihn nicht mehr in Ruhe lassen – die perfekte Gelegenheit für sie, ihm unter die Nase zu reiben, dass er solche Kurse genauso gut wie sie belegen könne, wenn er sich nur ein bisschen mehr bemühen würde und bessere Noten hätte – blablabla. Damit belaberte ihn schon Onkel William ständig.
»Ermittler von der Mordkommission?« Onkel William gab nicht so schnell auf.
»Dad, die
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