Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
Verhungern. Nicht alle haben Väter, die jeden Morgen Frühstück machen.«
»Vergiss die Party nicht, Nathan.« Alyssa drehte sich auf dem Absatz um und ging auf das wartende Auto zu.
Nathan steckte die Nase in den kalten Wind und folgte dem Wagen in die Schule.
D rei Blocks von der Schule entfernt hörte Nathan das letzte Läuten der Schulglocke. Er überlegte, ob er rennen sollte, und entschied sich dagegen. Wenn er rannte, würde es ihm auch nicht weiterhelfen, er würde trotzdem zu spät kommen. Er würde nur geringfügig weniger zu spät kommen, dafür aber stinken wie die Schließfächer in den Turnhallen. Darauf konnte er gut verzichten.
Als er in der Schule ankam, war er nicht der einzige Nachzügler und keiner von den anderen rannte.
Cool, zu spät zu kommen . Nathan überlegte, ob er vielleicht ein bisschen Zeit im Direktorat rausschinden sollte, um sich ein Entschuldigungsformular zu holen und vielleicht ein paar Leute zum Lachen zubringen. Schüler, die in Schwierigkeiten steckten, fanden es super, wenn Nathan mit ihnen dort war.
Er wollte gerade die Eingangstür aufdrücken, da sah er in der Glasscheibe das Spiegelbild eines Polizisten in Uniform, der direkt hinter ihm stand. Nathan erkannte in ihm den Mann aus seinem Orangensaftglas vom Frühstück wieder.
Plötzlich bekam er Angst. Er hatte den Mann nicht kommen hören, und es war ein großer Mann. Groß wie ein Footballspieler. Jemand von dieser Größe hätte doch ein Geräusch machen müssen. Auf seiner breiten Brust prangte eine glänzende Dienstmarke.
Nathan. Der Polizist sprach mit heiserer Stimme, die Lichtjahre entfernt klang. Wir müssen miteinander reden. Du bist in großen Schwierigkeiten. Ich kann dir helfen. Aber du musst mir auch helfen.
7
N athan starrte das Spiegelbild des Polizeibeamten in der Glasscheibe an. Nur ein Schritt mehr und er war im Gebäude. Konnte ihm der Mann – oder was immer er war – denn überhaupt folgen? Gab es ihn überhaupt? Als Nathan sich umdrehte, war der Beamte verschwunden.
Stattdessen stand Chas Burris da. Chas Burris war im Footballteam und gehörte zu den Typen, die mit Arda abhingen und denen Nathan tagtäglich aus dem Weg zu gehen versuchte. Chas war groß und schwer. Seine helle Haut war von der Kälte gerötet und seine Nase lief. Er trug ein Letterman-Jacket, das so groß war, dass es als Zelt hätte durchgehen können.
Chas war so ziemlich bei allen unbeliebt, aber zu stark, als dass irgendjemand Lust gehabt hätte, es ihm direkt ins Gesicht zu sagen. Chas’ Vater besaß ein Autohaus und war ein großzügiger Förderer des Footballprogramms der Schule. Gerüchten zufolge war diese Förderung der einzige Grund, weshalb Chas weiterhin im Team bleiben durfte.
Nathan erzählte immer wieder gerne die Geschichte, dass Chas eigentlich zwei jüngere Brüder gehabt hätte, doch eines morgens hungrig aufgewacht sei und alle beide aufgegessen habe. In Wahrheit waren die beiden Chas’ Stiefbrüder, die aus der Stadt fortzogen, nachdem sein Dad sich hatte scheiden lassen. Aber den anderen Kids gefiel Nathans Version besser, weshalb er sie dann beibehielt.
Natürlich hätte Nathan sich die Story niemals ausgedacht und nicht so oft erzählt, wenn Chas und Arda ihm nicht eines Tages in der fünften Klasse auf dem Nachhauseweg aufgelauert, ihm die Hosen bis zuden Knöcheln runtergezogen und ihn in eine Mädchengruppe aus der Achten geschubst hätten.
»Was glotzt du, Freakazoid?« Chas stieß prustend graue Wölkchen in die kalte Luft.
»Vor einer Sekunde stand hier noch ein Cop.« Nathans Verblüffung über das plötzliche Verschwinden des Mannes beeinträchtigte seinen Selbsterhaltungstrieb. Er machte einen Schritt an Chas vorbei, um hinter ihn sehen zu können.
Keine Spur von einem Polizeibeamten.
»Hast du ihn nicht gesehen? Genau an dieser Stelle hier hat er gestanden.«
»Der Einzige, der in der Gegend rumsteht und anderen Platz wegnimmt, bist du, wie immer.« Chas lachte über seinen eigenen Witz.
»Da war aber ein Beamter.«
»Du hältst mich auf, Lahmarsch. Blockier mir nicht den Weg.« Chas packte Nathan an seinem Kapuzenshirt und wollte ihn ins Schulhaus drängen.
Normalerweise hätte Nathan sich bewegt und Chas das Drängel-Match gewinnen lassen. Doch da er immer noch herauskriegen wollte, was er gesehen – vielmehr nicht gesehen – hatte, blieb er dort stehen, wo er war. Chas war in Wirklichkeit gar nicht so stark, weshalb es leicht war, sich zur Wehr zu setzen.
Was Chas an
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