Das Spiel beginnt - Lost Souls ; Band 1
Stärke fehlte, machte er allerdings an Masse wett. Plötzlich drehte er sich, rammte Nathan seine wuchtige Hüfte in den Bauch und Nathan fiel rücklings über eine niedrige Mauer. Er landete inmitten stachliger Büsche, die entlang des Schulgebäudes aufgereiht standen.
Immer wenn man einen Bullen braucht, ist keiner in der Nähe.
Chas beugte sich über das Mäuerchen, brüllte wie ein Gorilla und hielt die Hände in Siegerpose über seinem Kopf verschränkt.
»Das wird dich lehren, mir aus dem Weg zu gehen, Penner.«
Vorsichtig stemmte Nathan sich hoch und befreite sich von demBuschwerk. Einer der Zweige erwischte ihn über dem rechten Auge und das tat immerhin so weh, dass sein Auge zu tränen anfing. Er schirmte es mit der Hand ab und versuchte, sich aus den Büschen hochzuhieven.
Nathan.
Er erkannte die tiefe Stimme des Polizeibeamten, die diesmal von vorne zu kommen schien, sofort, hielt die Hand weiter schützend vor sein Auge und spähte durch die Fenster des Untergeschosses der Schule in den dunklen Raum, der dahinter lag.
Dort stand der Polizeibeamte jetzt.
»Was wollen Sie? Wie sind Sie so schnell da runtergekommen?«
Ernst sah ihn der Polizeibeamte an. Sprich mit mir, Nathan. Du musst mit mir sprechen. Ich kann dir helfen. Und du kannst mir helfen. Ich muss einen Weg finden, meiner Familie zu helfen, und du bist der Schlüssel dazu.
Nathan konnte nicht glauben, was er sah, und rührte sich nicht.
Durchs Fenster kann er doch nicht greifen.
Und schon streckte der Mann seine Hand durch die Scheibe, als sei sie nicht aus Glas.
Panisch riss sich Nathan von den Büschen los. Das ist nicht wahr! Das bildest du dir ein! So wie du dir als Kind schon Dinge eingebildet hast! Jetzt atme erst mal ganz tief durch!
Ich brauche deine Hilfe.
» Wofür?« Ganz gegen seinen Willen und wider bessere Einsicht wurde Nathan langsam neugierig. Er hatte das seltsame Gefühl, dieses Gespräch in seiner Kindheit schon einmal geführt zu haben.
Nathan. Da war noch eine andere Stimme, hinter dem Polizeibeamten.
Und noch mehr Stimmen, die seinen Namen in einen merkwürdig unausgewogenen Singsang verwandelten.
Andere, verschwommen aussehende Personen gingen im Untergeschoss umher und versuchten, zu den Fenstern zu gelangen. Die Stimmen wurden lauter.
»Das ist alles nicht wahr!«, redete sich Nathan voller Verzweiflungein. »Das alles ist nicht wahr! Du hast gestern Nacht nicht genug Schlaf bekommen! Und jetzt siehst du Gespenster!«
Nathan wollte einen Sprung in die Luft machen, blieb aber auf dem Boden haften. Wenn das nicht einer von den Träumen war, in denen er nicht fliegen konnte, dann war dies eben doch kein Traum.
Du kannst dich nicht vor ihnen verstecken. Der Polizeibeamte sah ihn an. Du musst dich ihnen stellen, um deiner selbst willen, Junge. Wenn du deine Macht nicht nutzt, dann werden sie dich bald heimsuchen wie Ameisen ein Picknick.
Plötzlich ging ein Licht im Raum an. Der Polizeibeamte und alle anderen Personen wurden durchsichtig und lösten sich in Luft auf. Nathan konnte sein Herz in beiden Ohren trommeln hören und versuchte, nicht zu hyperventilieren. Da sah er Mr Lewiston, einen der Schulhausmeister, Schrubber und Eimer von der Wand nehmen und wieder auf die Tür zugehen.
Bevor Mr Lewiston nach dem Lichtschalter greifen konnte, drehte sich Nathan auf dem Absatz um und flüchtete die Treppe zum ersten Stock hinauf. Er wollte gar nicht wissen, ob diese Leute zurückkamen, sobald das Fenster wieder dunkel wurde.
W ährend er lief, sah er nichts als das Spielbrett vor seinem inneren Auge. Eine schwarze Figur mit einem Tierkopf darauf bewegte sich rasch in den ersten farbigen Kreis hinein und die Sonnenfigur, die gelbe, glitt ein Spielfeld weiter auf ihrem Pfad außenherum. Der Spielwürfel rollte und der weiße Jaguar bewegte sich zwei Felder voran. Jetzt war Nathan wieder an der Reihe.
Was hat die Sonne zu bedeuten? Müssen Punkte gesammelt werden? Hat das Spiel eine Zeitvorgabe?
Nathan geriet in Panik, als er das Spielbrett überblickte. Wie soll ich nur ein Spiel lernen, wenn die Uhr tickt? Das ist nicht fair!
Schlimmer noch, er war jetzt wieder mit dem nächsten Zug dran. Doch was sollte er ziehen?
»S ie kommen zu spät, Mr Richards.« Mr Lloyd erinnerte Nathan an die Vogelscheuche aus dem ›Zauberer von Oz‹. Er hatte krauses Haar und eine Hakennase. »Wieder einmal.«
»Ich weiß.« Fröhlich schwenkte Nathan den Zettel in seiner Hand. »Deshalb habe ich ja die Entschuldigung
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