Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
verraten.
Vielleicht Derudan. Vielleicht die hier.
Bei den Göttern, vielleicht ich.
Er stand dreißig Schritt in der Straße, den Blick seiner im Schatten der Kapuze liegenden Augen fest auf den schlecht beleuchteten Eingang des Phoenix gerichtet. Auf die alten Stufen, auf das ramponierte Hinweisschild, das immer noch falsch ausgerichtet über der etwas zurückliegenden Tür hing. Hundert Herzschläge lang hatte er beobachtet, wie Gestalten das Gasthaus betraten und andere es verließen – keine davon war ihm bis jetzt vertraut erschienen, als wenn in seiner Abwesenheit alles, was er gekannt hatte, verschwunden war, zerronnen war, und jetzt dort, wo er einst gesessen hatte, Fremde saßen. Und Bierkrüge in den Händen hielten, die er selbst einst in der Hand gehalten hatte. Die Schankmaiden anlächelten und ihnen übermäßig vertrauliche Vorschläge machten, während sie an ihnen vorbeischwankten.
Schlitzer stellte sich vor, er wäre drinnen, stellte sich das Gesicht voller Unmut vor, mit dem er zwei Dutzend oder mehr Eindringlinge ansehen würde, die wie Invasoren in seine Erinnerungen eindrangen und ihn allesamt bedrängten und versuchten, ihn nach draußen zu schieben. Und noch weiter weg, hin zu dem neuen Leben – wie auch immer das aussehen mochte –, das er gefunden hatte und das nicht im Phoenix war. Nicht einmal in Darujhistan.
Es gab keine Rückkehr. Er hatte es die ganze Zeit gewusst, zumindest vom Verstand her, aber erst jetzt, als er hier stand, brach die Erkenntnis mit voller Wucht über ihn herein, begleitet von so überwältigenden Gefühlen, dass er sich von ihnen zermalmt fühlte. Und war es nicht ebenfalls wahr, dass der Mann, dessen Blick jetzt auf das Gasthaus gerichtet war, nicht der gleiche war wie der vor ein paar Jahren? Wie könnte er die Dinge nicht anders sehen, nach allem, was er durchgemacht hatte, nach allem, was er gesehen und empfunden hatte?
Sein Herz hämmerte in seiner Brust. Kein Trommelschlag, der einmal erklungen war, würde jemals wiederkommen, das begriff er nun. Selbst die Wiederholung war in Wirklichkeit nichts weiter als eine Illusion, ein Trick, der mit Ähnlichkeit zu tun hatte. Es mochte tröstlich sein, so zu tun, als ob die Maschinerie sich niemals veränderte, dass jeder Puls und jeder Wirbel identisch war, dass ein Mann in seinem Geist vor- und zurückspringen konnte, und ganz egal, wo er landete, würde alles, was er sah, immer das Gleiche sein. So fest wie Gewissheit.
Die groben Steine der nasskalten Mauern. Die Beschaffenheit des gelben Lichts, das aus den verschrammten gläsernen Fenstern strömte. Selbst die vielfältigen Geräusche – die Stimmen, das Klappern von Zinn und gebranntem Ton, das Lachen, das nach draußen drang, wenn die Tür geöffnet wurde, und so sauer wie Galle schmeckte, was Schlitzer anging.
Wer war da drinnen noch übrig, den er vielleicht erkennen würde? Die Gesichter ein bisschen älter, die Schultern ein bisschen hängender, die Augen von der faltigen Landkarte der Müdigkeit eingerahmt. Würden sich ihre Gesichter erhellen, wenn sie ihn sahen? Würden sie ihn überhaupt erkennen? Und nach dem Schulterklopfen und den Umarmungen – würde er dann abschätzige Blicke in ihren Augen sehen, die ihre Worte farblos werden ließen und eine gewisse Distanz schufen, die mit jedem verstreichenden Augenblick größer wurde?
Ein kaum wahrnehmbarer Hauch eines Stiefelscharrens zwei Schritte hinter ihm. Er wirbelte herum, duckte sich dabei tief und hatte die Dolche bereits in der Hand. Die linke Klinge halb erhoben, mit der Spitze nach unten, in einer Abwehrposition. Die rechte Klinge schoss in einem Speerstoß nach vorn …
… und die Gestalt lehnte sich mit einem leisen überraschten Knurren zurück, ein Tjalukmesser kam von irgendwo unter dem Umhang, um den Dolchstoß zu parieren …
Schlitzer drehte das Handgelenk, um hinter die Parade zu kommen, verpasste dem Angreifer durch dessen Handschuh hindurch einen tiefen Schnitt quer über die Handwurzel, während er immer noch geduckt einen Satz nach vorn machte und mit dem Dolch in seiner Linken auf die Einbuchtung hinter der rechten Kniescheibe seines Gegners zielte.
Der Versuch, diesem Angriff auszuweichen, hätte den Mann beinahe direkt in Schlitzers Arme fallen lassen, aber der war bereits weitergeglitten, hatte mit beiden Klingen erst den Oberschenkel, dann die Hüfte zu verletzen versucht, als er links an dem Mann vorbeigeschossen war.
Erstaunlicherweise fing das schwere
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