Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
»Und das ist ein weiterer Grund, warum ich ihn finden muss.«
Da bist du nicht allein, Frau. »Er hat mit dem Verkrüppelten Gott einen Handel abgeschlossen. Er hat den Platz des Imperators eingenommen.«
»Hat er das?«
Er trieb sein Pferd vorwärts, bis er sich wieder neben ihr befand. »Was gibt es denn sonst für eine Möglichkeit?«
Auf diese Worte hin grinste sie. »Oh, aber das ist der Punkt, an dem ich etwas weiß, was du nicht weißt, Reisender. Ich kenne Karsa Orlong.«
»Und das heißt?«
»Es ist sein Lieblingsspiel, so zu tun, als wäre er so … leicht zu durchschauen, verstehst du? Als wäre er ungehobelt, ohne Sinn für irgendwelche Feinheiten, ohne Anstand. Einfach nur ein Wilder. Die einzige Möglichkeit ist die offensichtliche, stimmt’s? Deswegen glaube ich nicht, dass er das getan hat.«
»Du meinst, du willst es nicht glauben. Ich werde jetzt offen zu dir sein, Samar Dev. Wenn dein Toblakai das Schwert des Verkrüppelten Gottes schwingt, dann wird er es entweder abgeben oder gegen mich ziehen müssen. So eine Waffe muss zerstört werden.«
»Du schwingst dich zum Feind des Verkrüppelten Gottes auf? Nun, da bist du wohl kaum der Einzige, was?«
Er runzelte die Stirn. »Bisher war ich es nicht«, sagte er, »und ich habe auch nicht den Wunsch, es jetzt zu sein. Aber er geht zu weit.«
»Wer bist du, Reisender?«
»Früher einmal habe ich das Spiel der Zivilisation gespielt, Samar Dev. Aber am Ende bleibe ich das, was ich bin – ein Wilder.«
»Zu viele haben sich Karsa Orlong schon in den Weg gestellt«, sagte sie. »Sie stehen da nicht sehr lange.« Eine Pause, dann fuhr sie fort: »Ob zivilisiert oder barbarisch – das sind nichts weiter als Worte –, der grausame Mörder kann jedes Kostüm anlegen, das er will, kann vorgeben, einer großen Sache zu dienen oder harten Notwendigkeiten zu folgen. Bei den Göttern hienieden, das alles macht mich krank, die Art und Weise, wie ihr Narren immer weitermacht. Überall auf der ganzen weiten Welt ist es immer das Gleiche.«
Er antwortete mit Schweigen auf diesen Ausbruch, denn er glaubte, dass es tatsächlich immer das Gleiche war, und dass es sich niemals ändern würde. Tiere blieben genau das, was sie waren, ob sie jetzt empfindungsfähig waren oder nicht – sie kämpften, sie töteten, sie starben. Das Leben wurde durchlitten, bis es vorüber war und dann … dann was?
Ein Ende. So sollte es sein. So musste es sein.
Während sie weiterritten, wechselten sie keine Worte mehr. Sie hatten das Erzählen von Geschichten, das Berichten von Abenteuern schon hinter sich. Alles, was für sie beide jetzt noch zählte, war das, was vor ihnen lag.
Einschließlich des Toblakai namens Karsa Orlong.
Zu einem bestimmten Zeitpunkt in seiner Vergangenheit war der Mann, der als Hauptmann bekannt war, jemandes Gefangener gewesen. Irgendwann hatte man ihn nicht mehr gebraucht, und er war auf der Ebene aufgespießt worden; man hatte ihm hölzerne Nägel durch Hände und Füße getrieben und diese dann in die harte Erde gehämmert, in der Absicht, ihn zum Futter für die Ameisen, für alle Aasfresser der Lamatath zu machen. Aber er war noch nicht bereit gewesen zu sterben. Er hatte die Hände durch die Nägel gezogen, hatte seine Füße losgemacht und war auf Ellbogen und Knien ein, zwei Meilen weit gekrochen, hinunter in ein Tal, wo ein einst mächtiger Fluss zu einem Bach geschrumpft war, der von Pappeln gesäumt wurde.
Seine Hände waren unbrauchbar. Seine Füße konnten sein Gewicht nicht mehr tragen. Und er war davon überzeugt, dass die Ameisen, die in seine Ohren gekrabbelt waren, nie wieder herausgekommen, sondern immer noch in den Tunneln seines Schädels gefangen waren und aus seinem Hirn ein wahres Nest gemacht hatten – er konnte ihre säuerlichen Ausschwitzungen auf seiner geschwollenen, geschwärzten Zunge schmecken.
Wenn die Legende wahr war – und sie war es –, waren uralte, lang vergessene Flussgeister aus dem Schlamm unter der geborstenen Oberfläche der ungeschützten Uferböschung ausgeschwärmt, waren wie Ungeziefer zu ihm gekommen, als er eng zusammengekauert, fiebernd und mit Schüttelfrost dagelegen hatte. Solche Kreaturen hatten nicht die Gabe, Leben zu spenden; nein, etwas zu geben hieß im Gegenzug, etwas zu nehmen. So wie der König seinen Erben mit allem füttert, was er braucht, um zu überleben, so füttert der Erbe den König mit der Illusion von Unsterblichkeit. Und die Hand, die zwischen den Gitterstäben des
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