Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
»Salind.«
Sie blinzelte, versuchte zu erkennen, wer mit so viel … so viel Mitleid zu ihr sprach. »Frag mich nichts«, sagte sie. »Erzähle mir noch weniger.«
Die Gestalt bewegte sich, schloss die Tür, die knirschend über den feuchten Kies streifte, und in der Hütte herrschte wieder Zwielicht. Sie verharrte, stand einfach da, und von ihrem langen ledernen Umhang tropfte Wasser. »Das wird nicht reichen.«
»Wer auch immer du bist«, sagte Salind, »ich habe dich nicht hereingebeten. Dies ist mein Haus.«
»Entschuldige, Hohepriesterin.«
»Du riechst nach Sex.«
»Ja, das kann ich mir vorstellen.«
»Fass mich nicht an. Ich bin Gift.«
»Ich … ich habe nicht den Wunsch, dich … anzufassen, Hohepriesterin. Ich bin durch dieses Dorf gegangen – die Zustände sind beklagenswert. Ich weiß sehr gut, dass der Sohn der Dunkelheit diese Art von Armut nicht lange ertragen wird.«
Sie blinzelte zu ihm hoch. »Ihr seid der Freund des Umnachteten. Der einzige Tiste Andii, der Menschen überhaupt beachtet.«
»Das glaubt ihr also von uns? Das ist … unglücklich.«
»Ich bin krank. Bitte geht, Herr.«
»Ich heiße Spinnock Durav. Vielleicht habe ich dir das schon gesagt, als wir uns das letzte Mal begegnet sind – ich kann mich nicht erinnern, und offensichtlich kannst du es auch nicht. Du … hast mich herausgefordert, Hohepriesterin.«
»Nein, ich habe Euch zurückgewiesen, Spinnock Durav.«
Möglicherweise lag so etwas wie ironische Erheiterung in seinem Tonfall, als er erwiderte: »Vielleicht ist das ein und dasselbe.«
Sie schnaubte. »Oh, nein, ein ewiger Optimist.«
Er streckte plötzlich den Arm aus, und seine warme Hand legte sich auf ihre Stirn. Sie zuckte zurück. Sich wieder aufrichtend sagte er: »Du hast Fieber.«
»Geht einfach.«
»Das werde ich tun, aber ich habe vor, dich mitzunehmen …«
»Und was ist mit all den anderen, die in diesem Lager so sehr leiden? Werdet Ihr sie alle hinaustragen? Oder nur mich, nur diejenige, mit der Ihr Mitleid habt? Es sei denn, das, was Euch antreibt, ist gar kein Mitleid.«
»Ich werde dafür sorgen, dass Heiler sich um das Lager kümmern.«
»Macht das, ja. Ich kann mit den anderen warten.«
»Salind …«
»So heiße ich nicht.«
»Nicht? Aber man hat mir …«
»Ich habe mir den Namen einfach ausgesucht. Ich hatte keinen. Als Kind nicht, und auch bis vor ein paar Monaten nicht. Ich hatte überhaupt keinen Namen, Spinnock Durav. Wisst Ihr, warum ich noch nicht vergewaltigt worden bin? Die meisten anderen Frauen wurden es. Und auch die meisten Kinder. Aber ich nicht. Bin ich so hässlich? Nein, nicht körperlich – das weiß sogar ich. Es ist, weil ich ein Kind des Toten Samens bin – wisst Ihr, was das bedeutet, Tiste Andii? Meine Mutter ist halb verrückt auf ein Schlachtfeld gekrochen, hat toten Soldaten unter das Wams gegriffen, bis sie einen gefunden hat, der einen Steifen hatte. Den hat sie in sich aufgenommen, und wenn sie gesegnet war, hat er sich in ihr ergossen. Der Samen eines toten Mannes. Ich hatte viele Brüder und Schwestern, eine Familie aus Tanten und eine Mutter, die am Ende verfault ist, als eine schreckliche Krankheit ihr Fleisch verzehrt hat – ihr Hirn war damals schon lange weg. Ich bin nicht vergewaltigt worden, weil ich unberührbar bin.«
Er starrte auf sie herunter, ganz offensichtlich schockiert, so entsetzt, dass er nur stumm dastehen konnte.
Sie hustete, wünschte sich, dass sie nicht so oft krank werden würde – aber so war es schon immer gewesen. »Ihr könnt jetzt gehen, Spinnock Durav.«
»Dieser Ort schwärt.« Und er machte einen Schritt vorwärts, um sie hochzuheben.
Sie wich zurück. »Ihr versteht nicht! Ich bin krank, weil er krank ist!«
Er blieb stehen, und sie konnte endlich seine Augen erkennen: Sie waren grün wie der Wald, und sie standen etwas schräg; in seinem Blick schimmerte viel zu viel Mitleid. »Der Erlöser? Ja, ich kann mir vorstellen, dass er krank ist. Komm«, er hob sie ohne jede Anstrengung hoch, und sie hätte sich wehren sollen – hätte frei sein sollen, sich zu entscheiden –, aber sie war zu schwach. Ihn wegzustoßen war nur eine Geste, ein Wunsch, der sich verwandelte und damit endete, dass sie sich hilflos an seinem Umhang festklammerte. Wie ein Kind.
Ein Kind.
»Wenn der Regen aufhört«, murmelte er, und sein Atem war zweifellos warm, aber er fühlte sich an ihrer fiebrigen Wange brühheiß an, »werden wir alles wieder aufbauen. All das hier neu machen.
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