Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
Gesicht im Schatten, abgrundtiefe Augenhöhlen, ein breiter Mund, der auf nach oben gerichtete Hauer hinwies.
Rallick Nom musterte die Erscheinung, und die Messer in seinen behandschuhten Händen fühlten sich nutzlos an. Die Stelle, an der ihn der Schlag getroffen hatte, tat immer noch weh. Sein Blick fiel auf die versteiften Lederzehen der halb verfaulten Mokassins des Dämons. »Du hast mich getreten.«
»Ja«, lautete die krächzende Antwort.
»Warum?«
Der Dämon zögerte kurz. »Es schien notwendig zu sein.«
Sie befanden sich in einem schmalen Korridor. Links von Rallick war eine massive Tür aus schwarzem Holz mit Bronzebeschlägen. Zu seiner Rechten, gleich hinter dem Dämon, befanden sich eine T-Kreuzung und Doppeltüren, die zum Ausgang führten. Der Lichtschein, der aus der Laterne fiel, die die Kreatur in einer verwelkten, langfingrigen Hand hielt, wirkte gleichermaßen bleich wie kalt und warf diffuse, gleichgültige Schatten an die steinernen Wände. Über ihm war die Decke grob gewölbt; die Steine wurden zum Scheitelpunkt hin immer schmaler und kleiner und schienen ohne Mörtel zusammengefügt zu sein. Die Luft roch nach Staub und Zerfall, leblos und trocken.
»Es scheint … als würde ich mich an nichts erinnern«, sagte Rallick.
»Das gibt sich mit der Zeit.«
Sämtliche Gelenke waren steif; schon allein mit dem Rücken an die Mauer gelehnt dazusitzen brachte Rallicks Muskeln zum Zittern. Sein Kopf schmerzte – und das war nicht nur das Echo von dem verdammten Tritt. »Ich habe Durst – wenn du nicht vorhast, mich totzuschlagen, dann besorg mir was zu trinken, Dämon.«
»Ich bin kein Dämon.«
»So was kann man nie leicht entscheiden«, antwortete Rallick knurrend.
»Ich bin Raest, ein Jaghut. Einst war ich ein Tyrann, jetzt bin ich ein Gefangener. ›Er, der sich erhebt, soll fallen. Er, der fällt, soll vergessen werden.‹ Das hat Gothos gesagt, doch leider sieht es aus, als müssten wir für immer warten, bis sein Name endlich in Vergessenheit gerät.«
Ein bisschen Kraft kehrte in seine Glieder zurück. »Ich erinnere mich an etwas … eine Nacht voller Blut, das Fest von Gedderone. Malazaner waren in der Stadt …«
»Unheilvolle Ereignisse, die jetzt ebenso bedeutungslos sind wie damals. Du hast lange geschlafen, Assassine. Sogar das Gift an deinen Waffen hat jede Wirksamkeit verloren. Obwohl das Otataral in deinen Adern von der Zeit ungebrochen weiterkreist – nur wenige hätten getan, was du getan hast, was, wie ich vermute, nur gut ist.«
Rallick steckte seine Messer in die Scheiden und stand langsam auf. Ihm wurde schlecht, als sich alles um ihn zu drehen begann, und er schloss die Augen und wartete, bis das Schwindelgefühl aufhörte.
»Ich gehe … nur selten in diesem Haus herum«, fuhr Raest fort. »Vielleicht ist einige Zeit vergangen, bis ich bemerkt habe, dass sie nicht mehr da ist.«
Rallick schaute blinzelnd zu dem großen, gebeugten Jaghut auf. »Sie? Wer?«
»Ein wirklicher Dämon. Ich glaube, sie heißt jetzt Vorcan. Du hast neben ihr gelegen, immun gegen das Verstreichen der Zeit. Aber jetzt ist sie aufgewacht. Sie ist geflohen, ja. Man könnte das für … beunruhigend halten. Wenn man sich darum kümmern würde, heißt das.«
Vorcan, die Meisterin der Assassinen-Gilde, ja, jetzt erinnerte er sich. Sie war verletzt, lag im Sterben, und er hatte sich abgemüht, sie zu tragen, ohne zu wissen, warum, ohne zu wissen, was er wollte. Er hatte sie zu dem Haus getragen, dem Haus, das direkt aus der Erde gewachsen war. Dem Haus, das die Malazaner ein Azath nannten. Das aus dem Finnest des Jaghut-Tyrannen geboren worden war. Rallick sah Raest stirnrunzelnd an. »Das Haus ist auch dein Gefängnis«, sagte er.
Ein Schulterzucken, das vertrocknete Knochen quietschen ließ. »Die Belastungen, die mit dem Besitz von Eigentum verbunden sind.«
»Dann bist du also seit damals hier. Allein, ohne irgendwie herumzugehen. Mit zwei Beinahe-Leichnamen im Hausflur. Wie lange, Raest?«
»Ich bin nicht derjenige, dem du diese Frage stellen solltest. Erhebt sich die Sonne draußen in den Himmel und fällt dann wieder einmal herunter? Erklingen Glockenschläge, um so zu tun, als gäbe es eine Kontrolle, wo in Wirklichkeit keine existiert? Messen sterbliche Narren immer noch die kleinen Schritte, die zu ihrem Tod führen, wägen sie Vergnügen gegen Kosten ab, schwelgen sie in der Täuschung, dass Taten einen Wert hätten, dass die Welt und alle Götter dasitzen und über alle
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