Das Spiel der Götter 14: Die Stadt des blauen Feuers (German Edition)
aufrechter und stolzer dastanden, und niemand hatte damals über die Vergangenheit sprechen müssen, weil sie in jenem Moment gerade geschehen war.
Vielleicht war das der Weg, wie er die Zukunft finden konnte, eine neue Zeit, in der man aufrecht stehen konnte. Eine Zeit, in die er hineinwachsen konnte.
Harllo gegenüber kauerte Snell in einer dunklen Ecke, und in seinen Augen lag ein ganz eigenes Versprechen, als er Harllo angrinste.
Myrla brachte ihnen Teller voller Essen.
Die in kleine Stücke zerrissenen Papyrusblätter brannten schnell und schickten schwarze Flocken in den Kamin hinauf. Duiker schaute zu, wie sie verschwanden, und er sah Krähen, tausende von Krähen. Diebe der Erinnerung, die alles andere stahlen, woran er sonst vielleicht gedacht hätte, was er sonst vielleicht wieder hätte aufleben lassen, um die Nutzlosigkeit seines derzeitigen Lebens erträglicher zu machen. Er hatte alle Mühen aufgegeben, sich an Gesichter zu erinnern, und alle seine Versuche, diese schreckliche Geschichte aufzuschreiben, waren gescheitert. Die Worte waren flach und leblos gewesen, die Szenen mit der Stimme von Toten beschrieben.
Wer waren die Kameraden an seiner Seite damals gewesen? Wer waren diese Wickaner und Malazaner, diese Waerlogas und Krieger, diese Soldaten und Opfertiere, die über die Straße gebeugt da hockten, die Wächter der Sinnlosigkeit, und auf ihre eigenen dahinmarschierenden Schatten hinunterstarrten?
Bult. Lull. Sormo E’nath.
Coltaine.
Namen – aber keine Gesichter. Von dem Chaos und dem Entsetzen, das mit den Kämpfen einherging, oder davon, wie es war, wenn man vor Erschöpfung dahintaumelte, von klaffenden, blutenden Wunden, vom Staub und dem Gestank von Exkrementen – nein, davon konnte er nichts schreiben; er konnte die Wahrheit nicht berichten, nichts davon.
Erinnerungen versagen. Wir sind für immer verdammt, während wir versuchen, Szenen zu gestalten, sie in einen Rahmen einzupassen, jede Tat zu beschreiben, durchdacht und verständlich, unvernünftig und verrückt, aber irgendwo darunter muss der dicke, feste Schlamm des inneren Antriebs sein, der Schlamm der Tragweite, der Bedeutung – er muss da sein. Alles andere ist … unannehmbar.
Aber genau dahin führten ihn seine Versuche, wieder und wieder. Zu den unannehmbaren Tatsachen, denjenigen, denen sich keine geistig gesunde Person jemals zuwenden konnte, denen sie sich jemals Auge in Auge stellen konnte. Dass nichts es wert war, verehrt zu werden, nicht einmal die schlichte Tatsache des Überlebens, und ganz gewiss nicht die endlose Kaskade von Fehlschlägen, von unendlich vielen Toten.
Selbst hier, in dieser friedlichen Stadt, beobachtete er die Bürger bei all ihren alltäglichen Tänzen, und mit jedem Augenblick, der verstrich, wuchs seine Geringschätzung. Ihm gefiel die Art und Weise nicht, wie seine Gedanken angesichts der endlosen Szenen einer anscheinend hohlen, sinnlosen Existenz immer rastloser wurden, aber es schien keinen Ausweg aus dieser Entwicklung zu geben, da seine Beobachtungen die Belanglosigkeit des Lebens enthüllten, die stummen oder nicht so stummen Kämpfe mit Ehefrauen und Ehemännern, Freunden, Kindern, Eltern, mit dem Gedränge auf einer belebten Straße, jedes Leben auf sich selbst bezogen, selbstgerecht und Fremden gegenüber gleichgültig – Menschen, die ganz und gar in ihren eigenen Leben waren. Doch sollte er nicht seine wahre Freude an solchen Dingen haben? An ihrer tiefgreifenden Freiheit, ihrem außergewöhnlichen Luxus, sich vorzustellen, sie hätten die Kontrolle über ihr eigenes Leben?
Natürlich hatten sie sie nicht. In ihrer Freiheit – der Freiheit, die jede und jeder von ihnen besitzen mochte – erschufen sie ihre eigenen Barrieren, trugen Fesseln, die sie eigenhändig geschaffen hatten. Rasselten mit den Ketten aus Gefühlen, aus Ängsten und Sorgen, aus Verlangen und Boshaftigkeit, aus jener Streitlust, die das grundlegende Gefühl der Namenlosigkeit schmähte, von dem jede Person ergriffen wurde. Oh, ja, eine höchst unannehmbare Wahrheit.
War dies die treibende Kraft hinter der Suche nach Macht? Die Namenlosigkeit wegzureißen, Berühmtheit und Verrufenheit anzuheben wie einen flammenden Schild und ein schimmerndes Schwert? Einen Schrei auszustoßen, der jenseits der Tore des eigenen Lebens gehört werden konnte?
Aber oh, Duiker hatte genug solcher Schreie gehört. Er hatte dagestanden und sich inmitten des trotzigen und triumphierenden Geheuls geduckt, das sauer
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