Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Megans Vater und Onkel. Wenn ihn nicht bald jemand erschlägt, wird irgendwann keiner von uns mehr übrig sein.«
»Das hat die Königin auch gesagt«, erwiderte Jasper. »Ich glaube, Marguerite könnte unser Trumpf in diesem Spiel werden, Blanche. Denn York unterschätzt sie, hat kaum zur Kenntnis genommen, dass es sie gibt. Dabei ist sie eine sehr gefährliche Frau.« Er griff mit der Rechten in ihre üppigen Locken und ließ sie langsam durch die Finger gleiten. »Genau wie du.«
Kenilworth Castle, Juli 1460
»Was soll das heißen, sie sind zurückgekommen?« Königin Marguerite schlug mit der Faust auf den Tisch – heftig genug, dass die Weinbecher erzitterten und die Lords leicht zusammenzuckten. »Das können sie nicht! Sie sind verurteilte Verräter! Wieso habt Ihr sie nicht verhaftet und ihnen die Köpfe abgeschlagen?«
Julian fragte sich, ob die Faust sie nicht schmerzte. Eine so zarte Frauenhand schien kaum dafür geschaffen, auf Tische zu schlagen. Aber wenn es der Fall war, ließ die Königin sich zumindest nichts anmerken.
Der Duke of Somerset räusperte sich verlegen. »Madam, dazu fehlten uns die Kräfte. Warwick und der junge Edward of March … Sie sind mit zweitausend Mann aus Calais gekommen.«
»Zweitausend?« , wiederholte sie ungläubig. »Woher in aller Welt haben sie die?«
»Es sind Männer der Garnison von Calais«, antwortete Julian. »Sie sind Warwick ganz und gar ergeben, weil er, seit er ihr Kommandant ist, pünktlich den Sold bezahlt. Aus der eigenen Schatulle.«
»Verstehe«, murmelte sie bitter. »Sie verraten ihren König und küssen die Hand, die sie füttert.«
Sie hat Recht, musste Julian einräumen. Und er erinnerte sie nicht daran, dass die Krone es jahrelang versäumt hatte, die Männer von Calais regelmäßig für ihre Dienste zu entlohnen oder auch nur ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. Es hätte Marguerite bloß noch zorniger gemacht, und im Augenblickschien es ihm das Wichtigste, dass sie alle einen kühlen Kopf behielten.
Es war nicht lange gut gegangen mit dem Protektorat des Duke of York. Zu groß waren das Misstrauen und die Abneigung der beiden rivalisierenden Fraktionen, der Lancastrianer und Yorkisten, und Königin Marguerite hörte nie auf zu argwöhnen, dass York den kleinen Prinzen Edouard aus der Thronfolge drängen wollte. Vor vier Jahren war sie daher mit dem Prinzen und ihrem Haushalt nach Kenilworth, unweit von Coventry, übersiedelt, hatte Adlige und Bischöfe aus dem Kernland der Lancaster in den Rat des kleinen Prinzen berufen und eine Leibwache für ihren Sohn gegründet, die wegen ihrer Livree die Schwanengarde genannt wurde und Marguerites allseits gefürchtete Privatarmee war. Als die Königin ihren Gemahl nach wenigen Monaten überredet hatte, ihr nach Kenilworth zu folgen, war der Duke of York mit leeren Händen in Westminster zurückgeblieben. Und noch ehe der ehrgeizige Herzog ganz begriffen hatte, wohin die Macht entschwunden war, die ihm so mir nichts, dir nichts durch die Finger geschlüpft war, hatte Marguerite in Coventry ein Parlament einberufen – unter Ausschluss des Duke of York, des Earl of Warwick und einiger weiterer Yorkisten −, und dieses Parlament hatte York und seine Anhänger als Verräter verurteilt.
Doch York hatte beschlossen, nicht tatenlos abzuwarten, bis er verhaftet wurde. Er sammelte seine Truppen, und bei Ludlow war es im vergangenen Oktober zur Schlacht gekommen. Anders als vier Jahre zuvor in St. Albans war Yorks Rechnung dieses Mal indes nicht aufgegangen. Viele seiner Männer hatten sich geweigert, Waffen gegen den gesalbten König zu führen, und waren in Scharen zu den Lancaster-Truppen übergelaufen. Die Yorkisten hatten die Schlacht verloren, und die Herzogin von York war mit ihren jüngeren Kindern den Feinden ihres Gemahls in die Hände gefallen. York selbst war nach Irland geflohen, sein ältester Sohn Edward of March und der Earl of Warwick nach Calais. Dort hatten sie gewartet und neue Kräftegesammelt. Und nun hatten sie offenbar beschlossen, die Zeit sei reif.
»Auf dem Marsch nach London sind ihre Reihen angeschwollen«, setzte Algernon Fitzroy den unerfreulichen Bericht tapfer fort. »Im ganzen Süden sind sie ihnen zugelaufen: Bauern, kleine Handwerker, Ritter. Und die Stadtväter von London haben ihnen die Tore geöffnet.«
»London?« Zum ersten Mal lag ein Anflug von Furcht in Marguerites Stimme. »London hat uns den Rücken gekehrt?« Vorwurfsvoll wandte sie sich
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