Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
an Lucas Durham, dessen Onkel einer der reichsten Kaufherren der großen Metropole war und der deswegen immer wieder in die Verlegenheit geriet, der Königin die unergründliche Londoner Seele erklären zu müssen.
»Sie sind nicht gerade entzückt von Richard of York«, antwortete Lucas. »Aber sie lieben seinen Sohn, den jungen Edward of March. London hatte schon immer eine Schwäche für schöne junge Ritter, Madam. Und die Londoner sind grantig, dass der Hof nicht mehr in Westminster ist, die Parlamente nicht mehr dort stattfinden und die guten Geschäfte der Stadt deshalb entgehen. Wenn Ihr Euch eines Tages entschließen solltet …«
»Ich gedenke nicht, meine politischen Entscheidungen von der unstillbaren Geldgier der Londoner Pfeffersäcke abhängig zu machen«, beschied sie frostig.
Lucas Durham nickte. »Gewiss, Madam.« Julian sah, wie hart sein Freund die Zähne aufeinanderbiss. Marguerite hatte Lucas beleidigt, erkannte er. Dafür hatte sie ein unfehlbares Talent.
»Am zweiten Juli sind March und Warwick jedenfalls in die Stadt einmarschiert«, fuhr Algernon fort, und um der Königin ihre schroffen Worte an Lucas heimzuzahlen, fügte er hinzu: »Die Londoner säumten die Straßen und jubelten.«
Die Königin schüttelte den Kopf, ausnahmsweise einmal sprachlos, so schien es.
»Ich fürchte, wir müssen den Dingen ins Auge sehen, Majesté«, sagte Somerset ernst. »Der Süden ist den Yorkisten wie einereife Frucht in den Schoß gefallen. Wir müssen verhandeln, es bleibt uns nichts anderes übrig.«
»Wirklich nicht?«, fragte sie. Es klang gefährlich.
Aber Somerset brachte sie so leicht nicht aus der Fassung. Sein Vater war Edmund Beaufort gewesen, Megans Onkel, der bei St. Albans gefallen war. Zusammen mit Julians Vater und dem Duke of Suffolk war er König Henrys verlässlichster Freund und Ratgeber gewesen, und ganz im Gegensatz zu Julian war der junge Somerset von dem Ehrgeiz beseelt, in seines Vaters Fußstapfen zu treten. Die Königin schätzte ihn sehr und hörte gelegentlich sogar auf seinen Rat. Und Somerset wusste, sie erwartete von ihm, dass er ihr schonungslos die Wahrheit sagte, auch wenn sie ihn zum Dank dafür oft genug abkanzelte. »Was sonst könnten wir tun?«, entgegnete er achselzuckend.
Ein Funkeln trat in ihre blauen Augen, sodass diese Julian für einen Moment an eine Schwertklinge im Sonnenschein erinnerten. Doch dann winkte die Königin ab und ließ sich seufzend in ihren Sessel sinken. »Ich muss darüber nachdenken. Habt Dank, Gentlemen. Wenigstens auf Euch ist noch Verlass. Aber nun müsst Ihr mich entschuldigen. Es wird Zeit, dass ich nach dem König sehe. Und da seine Krone wieder einmal auf dem Spiel steht, sollte ich ihm vielleicht ausnahmsweise einmal sagen, was vorgeht, nicht wahr?«
Die Lords und Ritter tauschten unbehagliche Blicke. Dann verneigten sie sich vor der Königin und machten kehrt. Sie hatten die Tür schon fast erreicht, als ihr noch etwas einfiel: »Ach, Waringham, seid so gut und bleibt noch einen Augenblick.«
Julian hielt inne. Zu früh gefreut , fuhr es ihm durch den Kopf. Er wandte sich um. »Gewiss, Madam«, sagte er, schloss die Tür hinter seinen Gefährten und trat wieder zu ihr an den Tisch. »Was wünscht meine Königin?«, fragte er höflich.
Sie schien ihn kaum zu hören. »York sitzt in seinem irischen Exil wie die Spinne im Netz«, bemerkte sie. Es klang beinah amüsiert. »Er lässt seinen Welpen und Warwick hier die Drecksarbeit für ihn erledigen und stellt sich wohl vor, im Triumph nach England zurückzukehren, wenn der Boden bereitetist. Hat er vergessen, dass seine Gemahlin und seine jüngeren Kinder meine Geiseln sind?«
Julian hob die Schultern. »Vielleicht ist es ihm gleich.«
»Meint Ihr wirklich? Ob es ihm auch gleich wäre, wenn wir ihm ihre Köpfe nach Irland schickten?«
Julian sah auf sie hinab. Er setzte alles daran, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn manchmal entsetzte, was sie sagte. Was sie tat, erst recht. »Die Duchess of York und ihre Kinder befinden sich in der Obhut des Erzbischofs von Canterbury, Majesté«, erinnerte er sie. »Ich habe Zweifel, dass er sich für diese Idee sonderlich erwärmen könnte.«
Sie zog die schmalen, dunklen Brauen in die Höhe. »Eure Illusionen sind ja so rührend, Waringham. Aber der Erzbischof hat ein paar dunkle Geheimnisse wie wir alle. Außerdem hat er einen jüngeren Bruder, der unbedingt Bischof von Durham werden und bei Hofe Karriere machen will. Ich
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