Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
zusehen, wie er zwischen eure Fronten gerät. Und ist euch eigentlich nicht aufgefallen, wie selten Megan sich nur noch hier blicken lässt? Sie ist einsam und unglücklich, und ihr treibt sie mit eurem Unfrieden aus unserer Mitte. Sie ist Edmunds Witwe und Henrys Mutter. Wollt ihr denn wirklich gar nichts tun, um ihr Trost zu spenden?«
Owen Tudors Miene, die eben noch so finster gewesen war, hellte sich plötzlich auf. Lächelnd legte er ihr für einen Moment die Hand an die Wange. »Gott segne dich, Blanche. Man kann merken, dass du die Tochter deiner Mutter bist.« Ohne Jasper noch eines Blickes zu würdigen, wandte er sich ab und ging hinaus.
Blanche kehrte zu ihrem Sessel zurück, wickelte das abgerollte Garn hastig und unordentlich um den angefangenen Strumpf und wollte sich ebenfalls zur Tür wenden.
»Wo willst du denn hin?«, fragte Jasper.
»Ein Stück reiten. Ich muss an die Luft.«
»Dann mach einen Spaziergang im Burghof. Du kannst nicht ausreiten, es gibt einen Sturm.«
»Frühestens in einer Stunde. Und wenn ich jemanden wollte, der mir sagt, was ich tun und nicht tun kann, wäre ich bei Devereux geblieben«, entgegnete sie scharf.
»Natürlich. Also dann: Hals- und Beinbruch.«
Seine Stimme klang seltsam belegt. Fast hätte man meinen können, der Streit mit seinem Vater habe ihn ausnahmsweise einmal erschüttert.
Wider Willen wandte Blanche sich noch einmal um. Jasperstand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und sah in das noch lustlose Schneetreiben hinaus.
»Du … du bist selbst schuld, Jasper«, sagte sie hilflos.
Er nickte, ohne sie anzusehen.
Langsam, ein wenig unschlüssig ging Blanche zur Tür, aber ehe sie sie erreicht hatte, schloss sich plötzlich seine Linke um ihren Oberarm und riss sie herum.
Blanche betrachtete die Finger auf dem rostbraunen Stoff ihres Ärmels: kurz, breit, ungeheuer kräftig. Sie spürte ihre Wärme auf der Haut, und es war kein unangenehmes Gefühl, aber trotzdem richteten sich ihre Nackenhaare auf. »Lass mich los.«
»Geh nicht.«
»Lass mich los, Jasper.«
Er sah in die Augen der Frau, die in der Lage war, die Hand, die sie ihrer Freiheit berauben wollte, mit dem Schwert abzuschlagen. Schleunigst gab er ihren Arm frei, schob mit der Rechten aber gleichzeitig den Riegel vor die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
»Was soll das werden?«, fragte sie.
»Ich lasse dich nicht gehen«, erklärte er überflüssigerweise und verschränkte die Arme.
Sie brachte einen Schritt Abstand zwischen sie und betrachtete ihn kopfschüttelnd. »Ich fürchte, du hast den Verstand verloren. Aber weit kann er noch nicht sein. Also sollten wir uns auf die Suche machen, was denkst du?«
»Du hast schon ganz Recht, ich bin selbst schuld. Aber ich konnte bislang auch nicht viel dagegen tun, dass alle nach und nach aus meinem Leben verschwanden, die mir teuer waren. In deinem Fall hingegen …«
»Herrgott noch mal, Jasper, ich will nur ausreiten. Ich komm schon wieder, keine Bange. Darüber hinaus wirst du feststellen, wenn du in dich gehst, dass ich nicht zu den Menschen zähle, die dir teuer sind. Denkst du, ich bin blind? Du gehörst zu Megans Jüngerschar. Willst du mich beleidigen, indem du mir unterstellst, ich sei zu dämlich, um das zu sehen? Du betestsie an, genau wie Edmund, genau wie mein Bruder. Und wenn du glaubst, dass ich langsam genug davon habe, mir das anzusehen, und eifersüchtig auf sie bin, obwohl ich sie mindestens so liebe wie jeder von euch, dann hast du verflucht Recht! Es ist nichts, worauf ich stolz bin! Aber ich will verdammt sein, ehe ich dein Lückenbüßer werde, bis ihr Trauerjahr um ist und du sie endlich …«
Ohne Hast, als wolle er vermeiden, sie wieder zu erschrecken, hob er die Hand und legte zwei Finger auf ihre Lippen. Blanche verstummte notgedrungen. Dabei hatte sie ihm noch eine Menge zu sagen.
Einen Moment standen sie so da und sahen sich in die Augen, die seinen eine Schattierung dunkler als ihre.
Blanche spürte ihr Herz rasen. Sie war einer Panik nah. Sag nichts, sag nichts, sag nichts, dachte sie flehentlich, lieber Gott, mach, dass er nichts sagt …
Aber Gott war offenbar anderweitig beschäftigt. »Du irrst dich, Blanche«, sagte Jasper leise.
Seine tiefe, raue Stimme und seine Nähe lösten ein Gefühl in ihrem Unterleib aus, das gleichzeitig schmerzhaft und herrlich war. Sie kannte es von früher, wenn sie ihren zurückhaltenden Cousin Geoffrey gelegentlich dazu überlistet hatte, sie anzufassen. Aber
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