Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
mindestens bis Oxford und hinterlasst eine möglichst breite Spur.«
»Wir sollen sie ablenken?«, fragte Sergeant Wood. »Aber wenn sie einen so guten Fährtenleser haben, wird ihnen nichtverborgen bleiben, dass drei Pferde Richtung Coventry geritten sind, Mylord.«
Julian nickte. »Nur wird es so aussehen, als seien sie von dort gekommen.«
Er hatte so etwas noch nie gemacht, und er war nicht sicher, dass es funktionieren würde. Zusammen mit Bran war er in die Nacht hinausgegangen und begutachtete im Schein einer Fackel Dädalus’ linken Vorderhuf von unten.
»Wie meint Ihr das, die Eisen umdrehen?«, fragte Bran. Es klang grantig. Der Regen hatte zwar nachgelassen, aber es tröpfelte ihm gewiss in den Nacken, denn er stand gebeugt und hielt die Fackel.
»Wie ich’s sage. Wir drehen sie um, und es wird aussehen, als seien die Pferde aus der Richtung gekommen, in die sie tatsächlich laufen.«
»Schwachsinn …« Bran spuckte ins Gras.
Julian ließ den Huf los und richtete sich auf. »Habt Ihr eine bessere Idee, Sir Bran?« Es klang schneidend.
»Nein, Mylord.«
»Und könnt Ihr ahnen, was sie mit dem Jungen tun werden, wenn sie ihn hier allein in der Wildnis erwischen?«
»Aber er ist der Prinz!«, entgegnete Bran entrüstet, ebenso naiv, wie Julian selbst einmal gedacht hatte.
»Ich möchte nicht seinen Kopf darauf verwetten, dass sie das abhalten wird, denn er steht zwischen York und dem Thron. Ihr und ich müssten auf jeden Fall dran glauben, und das wollen wir doch wohl lieber vermeiden, oder?« Zumal Thomas Devereux mich gewiss nicht töten wird, ohne mir zuvor zu entlocken, wo seine so lang entbehrte Gemahlin steckt, fügte Julian in Gedanken hinzu und schauderte.
»Ihr habt Recht, Mylord.« Bran klang lächerlich kleinlaut für einen Schwanengardisten.
»Dann wäre ich dankbar, wenn Ihr mir Eure Bedenken erspart und Euch stattdessen nützlich machtet.«
Sie hatten nicht einmal vernünftiges Werkzeug. Mit Geduld,Ausdauer und einem stabilen Speisemesser als Hebel lösten sie Dädalus und Brans Pferd die Hufeisen, setzten sie verkehrt herum wieder auf, sodass die Rundung der Eisen unter der Hufwand hervorschaute und die Enden Strahl und Ballen nicht verletzen konnten, und schlugen die noch brauchbaren Nägel notdürftig wieder ein. Julian wusste, es würde nicht lange halten. Aber schon ein paar hundert Yards würden ja ausreichen, um die Verfolger zu verwirren und in die falsche Richtung zu schicken.
Julian klopfte seinem Pferd den Hals. »Danke für deinen Langmut, alter Freund.«
Als sie eine gute Stunde später aufbrachen, ließen Julian und Bran die Tiere im Schritt gehen. Unsicher staksten die Pferde auf den ungewohnten Schuhen durch die Dunkelheit, und Julian hatte ein schlechtes Gewissen. Er wusste, seine Schwester würde ihm den Hals umdrehen, wenn sie hiervon erführe. Er war dankbar für den weichen Boden, der die Verletzungsgefahr für die Hufe beträchtlich verringerte.
Wie schon am Tag zuvor saß die Königin hinter ihm, hatte die Arme nun lose um seine Taille und den Kopf an seine Schulter gelegt. Er nahm an, sie schlief, genau wie der Prinz, den Bran vor sich in den Sattel gesetzt hatte und mit dem linken Arm sorgsam festhielt.
Der Anblick des schlafenden kleinen Jungen machte Julian bewusst, wie ungewiss, wie düster ihre Lage war: Die Schlacht verloren, der König in den Händen der Yorkisten, die Königin und dieses zerbrechliche Knäblein auf der Flucht. In der kalten Stunde vor dem Morgengrauen verließ Julian alle Zuversicht. Doch als es hell wurde, hörte er keine Verfolger. Es schien, als habe seine List Thomas Devereux tatsächlich in die Irre geführt. Wenigstens vorläufig.
»Du bist doch wahrhaftig ein schlauer Fuchs, Julian of Waringham«, murmelte Marguerite ihm schläfrig ins Ohr. »Nicht übel.«
Er nickte knapp. »Passabel, sagte kürzlich irgendwer.«
Denbigh, Juli 1460
Liebste Megan ,
schrieb Blanche, sei so gut und richte Hal unsere aufrichtige Anteilnahme aus. Buckinghams Tod ist ein schmerzlicher Verlust für England und den König, aber gewiss ist der Kummer für niemanden größer als für seine Söhne.
Als die Nachrichten von Northampton uns erreichten, ist Jasper umgehend zu seinem Vater geritten (wie üblich vermeide ich alle Ortsangaben, falls dieser Brief in falsche Hände gerät), um mit ihm zu beraten, was zu tun ist. Natürlich ist Jasper in größter Sorge um seinen Bruder, den König, und mir geht es nicht anders. Wo immer der
Weitere Kostenlose Bücher