Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Außer Marguerite kannte er auch kaum einen. Sie waren ihm gleichgültig. Doch Marguerites Ehe mit König Henry hatte England die Grafschaft Maine gekostet, und viele glaubten, das sei der Anfang vom Ende gewesen. Der Stein, der die Lawine ausgelöst hatte, welche die Engländer auf dem Kontinent überrollt und zum endgültigen Verlust aller französischen Territorien geführt hatte. Der Krieg, den die Engländer im Laufe eines Jahrhunderts so viele Male um ein Haar gewonnen hätten, war verloren. Es war eine Schmach, die auch Julian fühlte. Und Marguerite, glaubten die Engländer, war schuld.
Julian hatte inzwischen eingesehen, dass das nicht stimmte. Als man sie mit dem König verheiratete, hatte niemand die Höflichkeit besessen, ihr auch nur zu sagen, dass England im Tausch gegen die französische Prinzessin das Maine einbüßte.Marguerite war damals fünfzehn Jahre alt gewesen, eine Schachfigur wie jede andere junge Frau von königlichem Geblüt, keine Intrigantin für die französische Sache am englischen Hof. Der beträchtliche Ehrgeiz, den sie entwickelt hatte, hatte erst dem König und dann dem Prinzen gegolten, niemals Frankreich. Sie hatte sich immer bemüht, England eine gute Königin zu sein. England hatte ihr zum Dank seit jeher die kalte Schulter gezeigt. Ihr Gemahl hatte sich als Schwächling erwiesen und verlor den Verstand, wann immer die Lage brenzlig zu werden drohte, und ihrem Sohn hatte man sein Erbrecht streitig gemacht. Konnte man ihr wirklich einen Vorwurf daraus machen, dass sie eine Furie geworden war?
»Wir müssen auf Jasper Tudor und Somerset warten, Majesté«, sagte Julian beschwichtigend. Er sagte es nicht zum ersten Mal. »Es wäre Leichtsinn, einfach zurück über die Grenze zu stürmen und York zu stellen. Die schottischen Soldaten, die die Königin Euch leiht, reichen dafür einfach nicht.«
Marguerite unterbrach ihren rastlosen Marsch durch ihr Gemach und blieb vor ihm stehen. Trotz des munteren Feuers im Kamin bildete ihr Atem weiße Dampfwolken. Julian hatte nicht geahnt, dass es irgendwo auf der Welt so bitterkalt sein konnte wie zur Weihnachtszeit in Edinburgh. »Hättet Ihr ihn nicht nach Norden gelockt, säße ich hier nicht wie ein Hase in der Falle!«, fuhr sie ihn an.
Julian hatte Mühe, sich ein Grinsen zu verkneifen. »Mir fällt auf Anhieb niemand ein, der weniger Ähnlichkeit mit einem gefangenen Hasen hat, meine Königin.«
Sie brummte missfällig. »Oh, erspart mir die schönen Reden. Sagt mir lieber, wer der Judas in Eurem Dienst ist, Sir.«
»Niemand«, entgegnete Julian. Es klang ungehalten. Auch diese Debatte führten sie nicht zum ersten Mal.
»Nein? Richard of York ist rein zufällig mit sechstausend Mann nach Norden gezogen und lauert in Sandal Castle darauf, dass ich mich rühre? Woher konnte er wissen, wo ich bin, wennnicht von einem Eurer Männer? Euer Knappe ist ein Neville, oder nicht?«
»Ich lege für ihn und für jeden anderen Mann in meinem Dienst die Hand ins Feuer.«
»Bitte.« Marguerite machte eine einladende Geste Richtung Kamin. »Nur zu.«
»Alexander Neville ist der Sohn meiner Schwester. Sein Vater war jahrzehntelang der Leibwächter Eures Gemahls. Glaubt mir, der Junge ist vollkommen vertrauenswürdig.«
»Also? Wie dann hat York herausbekommen, wo der Prinz und ich uns befinden?«, verlangte sie zu wissen.
Julian trat an den Tisch und schenkte zwei Becher Ipogras aus dem Krug ein. Der Wein duftete nach Zimt und Nelken, war aber längst nicht mehr so heiß, wie er sein sollte. Einen Becher reichte Julian der Königin, an dem anderen versuchte er vergeblich, sich die Hände zu wärmen. »Inzwischen halte ich es für durchaus denkbar, dass Warwick nahe dem Tor meines Hauses einen Spion postiert hatte, der mir gefolgt ist. Dass er an dem Abend nur zu mir gekommen ist, um mich aufzuscheuchen, damit ich ihn zu Euch führe. Es hätte mir verdächtig vorkommen müssen, dass er ohne Gefolge gekommen ist. Abgesehen davon, Madam, war ich nicht der Einzige, der wusste, dass Ihr in Schottland seid.«
»Sieh an.« Marguerite lächelte boshaft. »Ihr wollt Eurem Freund Jasper Tudor die Schuld in die Schuhe schieben? Vielleicht andeuten, er sei ein Verräter? Obwohl er der … wie wollen wir es nennen? Beschützer Eurer Schwester ist? Welch ein hinterhältiger Bastard Ihr doch sein könnt, Sir.«
Julian spürte sein Gesicht heiß werden. »Unsinn. Jasper würde sich eher in sein Schwert stürzen, als den König zu verraten. Aber wollt
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