Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Yorkisten bei St. Albans doch ihren ersten Sieg über die Lancastrianer errungen.
Gegen das ausdrückliche Verbot der Königin und vornehmlich, um sich zu beweisen, dass er es noch wagte, ihr die Stirn zu bieten, war Julian mit Lucas und Tristan als Späher ausgeritten und hatte Warwicks Truppen in St. Albans entdeckt. Die Yorkisten hatten ihre Stellung mit allerhand neumodischem Zeug befestigt – engmaschigen, mit Nägeln bewehrten Netzen, die sie wie Schutzwälle aufgerichtet hatten, und mannshohen Schilden, die auf einem ausklappbaren Fuß standen, weil kein Mann sie tragen konnte.
»Ich nehme an, das haben die Burgunder mitgebracht, die Warwick angeheuert hat«, mutmaßte die Königin, als Julian ihr nach seiner Rückkehr Bericht erstattete. Sie verlor keinWort über seinen Ungehorsam. Vorerst. »Die Burgunder sind bekannt für ihre Vorliebe für solch unsinnigen Firlefanz.«
Julian nickte. »Und sie haben seltsame Waffen, wie ich sie nie zuvor gesehen habe. Wie verkleinerte Kanonen sehen sie aus. Klein genug, dass ein Mann sie in der Hand halten kann.«
»Deswegen nennt man sie Handfeuerwaffen, Mylord«, eröffnete Marguerite ihm in einem beinah gelangweilten Tonfall, der ihm andeuten sollte, dass sie über die Neuentwicklungen der Waffentechnik weit besser informiert war als er.
Handfeuerwaffen , wiederholte Julian in Gedanken. Es war ein eigenartiges Wort, fand er. »Das heißt, sie spucken Feuer?«, fragte er und bemühte sich nach Kräften, sein Unbehagen ob dieser Vorstellung vor Marguerite zu verbergen.
Sie hob die Schultern. »Ich weiß nicht genau, was sie alles können«, musste sie einräumen. »Die, von denen ich gehört habe, spucken Bleikugeln oder lange Pfeile, beide mit teuflischer Schussgeschwindigkeit, sodass sie großen Schaden anrichten können. Zumindest in den seltenen Fällen, da diese kleinen Kanonen den Schützen nicht beim Abfeuern um die Ohren fliegen.«
Julian musste grinsen. »Nun, wie dem auch sei. Warwick hat seine gesamte Befestigung und seine Truppen auf einen Angriff von Norden ausgerichtet, Madame. Das heißt, wenn wir von hier aus Richtung Dunstable reiten, können wir ihn von Westen an der weichen Flanke angreifen.«
»Also, worauf warten wir?«
Richard Neville, der Earl of Warwick, hatte seine Gegner unterschätzt, weil eine Frau sie anführte. Er geriet zwischen seinen neumodischen Befestigungen und dem Sturmangriff der Lancastrianer in die Enge, und als es dunkel wurde, liefen die Männer von Kent zu Marguerite über. Sie hatten genug von der unfähigen Regentschaft und der Misswirtschaft unter König Henry gehabt und sich deswegen auf die Seite der Yorkisten geschlagen, aber womit sie nicht gerechnet hatten, war, den Earl of Waringham – einen der Ihren – im gegnerischen Lagerzu finden. Da wurde ihnen mulmig. Verschämt und klammheimlich schlichen sie hinüber, mischten sich möglichst unauffällig unter Marguerites Truppen und besiegelten Warwicks Schicksal.
Als die Schlacht gewonnen war, fand Julian sich wieder unverletzt – genau wie nach Northampton. Flüchtig fragte er sich, wie lange sein Glück noch anhalten werde. Aber keine der Parteien hatte in dieser Schlacht hohe Verluste zu beklagen. Wie die Königin vorausgesagt hatte, waren einige der Handfeuerwaffen in den Händen der Schützen explodiert, andere hatten ein Ziel gefunden und mit ihrer enormen Durchschlagskraft mehr Schaden angerichtet als herkömmliche Schusswaffen – Bogen und Armbrust – es vermochten. Aber Warwick hatte schnell erkannt, dass er einen fatalen taktischen Fehler begangen hatte, und als seine Vorhut sich in Auflösung befand, war er abgezogen, ehe ein allgemeines Gemetzel beginnen konnte. Marguerite nannte ihn feige. Julian wusste, dass das nicht stimmte. Warwick war kein Feigling, sondern ein sehr kühler Rechner. Er setzte vermutlich darauf, dass bessere Gelegenheiten kommen würden. Und Julian war insgeheim dankbar für den Realitätssinn seines Cousins. Nur wenige Tote und Schwerverletzte lagen auf dem Feld im Westen des Städtchens, und nicht ein einziger Edelmann war darunter.
Julian winkte Lucas und Tristan zu sich und durchkämmte mit ihnen die Häuser. Einige lagen verlassen, weil die Bewohner Schutz im Kloster gesucht hatten. Dort, wo Licht herausschien, schlichen sie sich an und spähten durchs Fenster. Am nördlichen Stadtrand, wo Warwicks Verteidigung am stärksten gewesen war, kamen sie schließlich zu einer etwas abseits gelegenen Kate, in welcher sie den
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