Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
weitläufig erschien wie eine Kathedrale. Immer noch fiel der Boden steil ab, und nach etwa einem Drittel tauchte er ins Wasser. Nur kleine Wellen schwappten auf das felsige Ufer; hier in der Grotte schien das Meer gezähmt.
Ein solides Segelboot, das Blanches ungeschultem Blick eher wie ein kleines Schiff vorkam, lag an einer langen Kette, die ineinem Eisenring endete, welcher in den felsigen Boden getrieben worden war.
»Ah«, machte Jasper zufrieden. »Da ist sie ja. Willkommen auf der Katherine , Ladys und Gentlemen.«
Blanche entging sein erleichtertes Aufatmen nicht. Er gab ihr die Fackel und kletterte an Bord – erstaunlich geschickt für eine Landratte. Dann schob er eine schmale Planke hinüber. Madog und einer der Soldaten wollten Blanche hinüberhelfen, aber sie verschmähte die hilfreich ausgestreckten Hände und lief behände über den engen Steg.
Jasper empfing sie mit einem anerkennenden Nicken.
»Und wirst du mir jetzt endlich verraten, wohin die Reise geht, Seemann?«
»Nach England.« Er packte Rhys am Ellbogen, der durch das schlafende Kind auf seinem Rücken Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten, und zog ihn sicher auf die Planken.
»Hast du den Verstand verloren?«, erkundigte Blanche sich höflich.
Jasper drückte ihr eine Leine in die Finger. »Hier. Zieh daran, wenn ich es dir sage. Nicht eher, hörst du.«
»Jasper, würdest du …«
Er richtete sich auf und sah ihr in die Augen. »Ich muss Richmond zu seiner Mutter bringen. Er ist in Wales nicht mehr sicher.«
»Aber in England erst recht nicht. So wenig wie wir alle. Warum nicht Irland? Warum nicht Frankreich?«
»Weil es Megans Wunsch ist.«
»Wie bitte?«
Er nickte. »Sie hat mir gleich nach der Schlacht von Towton einen Boten geschickt und gebeten, ihr den Jungen zu bringen. Ich habe ihre Bitte ignoriert, weil ich glaubte, Richmond sei in Wales sicherer. Nun, das war einmal. Aber ich kann ihn nicht gegen den Willen seiner Mutter ins Ausland verschleppen, Blanche.«
»Nein?« Sie kreuzte die Arme und legte fröstelnd die Hände auf die Schultern. »Dann bleibt mir nur zu hoffen, dass Megansso plötzlich wiederentdeckte Mutterliebe uns nicht alle noch teuer zu stehen kommt.«
Waringham, Juni 1461
Julian hatte drei
Tage gebraucht. Da er nicht wusste, ob er noch Lord Waringham war oder Yorkisten seine Burg besetzt hielten, ritt er zuerst ins Gestüt.
Er fand seinen Cousin Geoffrey an der Box einer Stute, wo er dabei war, einem Stallburschen die Leviten zu lesen: »Das nennst du einen sauberen Eimer? Wie kommt es dann, dass das Wasser trüb ist? Und sind das Strohhalme, die darauf schwimmen, ja oder nein? Wie oft musst du hören, dass Pferde reinliche Tiere sind und kein unsauberes Wasser trinken, bis du es lernst, du Lump? Was denkst du dir eigentlich, du … Oh, mein Gott.« Er starrte plötzlich an dem gemaßregelten Knaben vorbei nach draußen, dann legte er die Hand an den Mund. »Julian.«
Der Earl of Waringham saß ab. »Erzähl mir nicht, keiner hat euch gesagt, wo ich bin.«
Geoffrey trat kopfschüttelnd aus der Box, Stute und Übeltäter vergessen. »Wir dachten, du bist tot. Frederic hat gesehen, wie ein Pfeil dich traf.«
»Ich hatte Glück. Und war zwei Monate unfreiwillig zu Gast in Warwick.«
Der sonst so reservierte Stallmeister strahlte plötzlich und drückte seinen totgeglaubten Cousin an die Brust. »Gott sei gepriesen. Oh, Julian, Gott sei gepriesen!«
Ein wenig verlegen befreite Julian sich aus der Umarmung, aber Geoffreys unverhohlene Freude rührte ihn. »Das heißt, Frederic ist nach Haus gekommen, ja?«
Geoffrey nickte, und plötzlich ergriff sein Blick vor Julians die Flucht.
Julian legte eine Hand auf Dädalus’ warmen Hals und wappnete sich. »Sag es mir. Wer ist nicht heimgekommen?«
»Unser Vetter Daniel. Dein Schwager Simon Neville. Beide Söhne deines Vasallen Roger of Hetfield. William Aimhurst und sein Schwager Finley. Von den drei Wheeler-Brüdern hat allein Davey überlebt, und er hat ein Auge verloren. Der Jüngste von Matthew dem Schmied ist auch gefallen. Und da ist noch etwas, das du erfahren musst, Julian. Dein Knappe Alexander …«
»Ich weiß«, unterbrach Julian. Seine Stimme klang rau. »Ich war bei ihm, als er starb.«
»Dann sei Gott auch für diese kleine Gnade gepriesen«, erwiderte Geoffrey. »Es wird deiner Schwester Trost spenden, das zu hören.«
Falls irgendetwas einer Frau Trost spenden kann, die Mann und Sohn auf einen Schlag verloren hat, dachte
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