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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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Bergfried hinüber und schaute sich bei der Gelegenheit im Innenhof um. Es war still, wie so oft nachmittags, und die sonst meist zertrampelte Rasenfläche leuchtete saftig grün in der warmen Junisonne. Im Schatten der Birke nahe dem Sandplatz hockten ein paar Knäblein von unterschiedlichem Stand dicht beieinander und heckten offenbar irgendeinen Unfug aus. Zwei Mägde standen vor dem Backhaus zusammen und tratschten. Als sie ihn erkannten, verstummten sie jäh und bestaunten ihn mit offenen Mündern. Julian nickte ihnen mit gestrenger Miene zu, und sie stobenschuldbewusst auseinander, um sich an die vernachlässigte Arbeit zu begeben. Er grinste vor sich hin und verspürte einen kurzen Moment der Leichtigkeit. Er war froh, wieder zu Hause zu sein, erkannte er. Waringham Castle mochte nicht so stark sein wie die Burgen in Wales und nicht so anmutig wie Warwick, doch hier kam ihm der Boden unter seinen Füßen fester vor als andernorts. Und er konnte sich nicht so recht vorstellen, wie er zurechtkommen sollte, wenn er Waringham verlor.
     
    Der Gerichtstag hatte heute nicht mehr die gleiche Bedeutung wie vor hundert Jahren, denn die richterlichen Befugnisse der Lords über ihre Bauern waren im Laufe der Zeit geschrumpft, und seit Julian die Hörigen seiner Baronie den freien Pächtern gleichgestellt hatte, konnte jeder Mann sich in einem Rechtsstreit an einen der königlichen Richter wenden, die das Land bereisten, oder sich gar auf den Weg nach Westminster machen und sein Anliegen einem der königlichen Gerichte vortragen.
    Dennoch versammelten sich die Pächter des Earl of Waringham alle sechs Wochen auf der Burg, um vor seinem Steward Nachbarschaftsstreitigkeiten zu verhandeln, die Nutzung der Gemeinschaftsweiden oder des Backhauses, das Mähen der Dorfwiesen, die Organisation des Jahrmarktes und des Erntefestes und alle anderen Belange des Gemeinwesens zu regeln.
    Julian blieb vor dem Eingang zur Halle einen Augenblick stehen und spionierte ungeniert. Frederic of Harley und Vater Michael saßen mit dem Bailiff und dem Reeve an der hohen Tafel. Davey Wheeler und einer der neuen Pächter, dessen Name Julian entfallen war, standen vor ihnen und bezichtigten einander des Schweinediebstahls. Es war eine alte Geschichte, erinnerte sich Julian. Im vergangenen Herbst hatte jeder der Männer eine Sau in den Forst von Waringham getrieben, wo sie nach Eicheln und anderem nahrhaften Futter wühlen konnten. Die meisten Bauern verfuhren so. Aber eins der Schweine war auf Nimmerwiedersehen verschwunden – weggelaufen, einem Wilderer zum Opfer gefallen, oder der Henker mochte wissen,was ihm zugestoßen war –, und seither erhoben beide Männer Anspruch auf die verbliebene Sau.
    Julian beobachtete fasziniert, wie Frederic seine Fragen auf eins seiner Täfelchen schrieb und seinem Knappen reichte, der sie getreulich vorlas. Diese Verzögerung brachte Ruhe in den Disput. Statt sich anzubrüllen und die Fäuste zu schütteln, wie es eigentlich üblich war, lauschten die beiden Kontrahenten den vorgetragenen Fragen und Kommentaren höflich und dachten nach, ehe sie antworteten. Eine einvernehmliche Lösung war freilich nicht in Sicht, zumal beide Parteien ein Dutzend Zeugen benannten, die beschwören könnten, das Schwein gehöre diesem oder jenem.
    Als Frederics Miene bekundete, dass er allmählich gründlich genug von dieser anhaltenden Schweinerei hatte, betrat Julian seine Halle und sagte: »Lass gut sein, Davey. Gib die Sau deinem Nachbarn, und ich kauf dir eine neue. Das ist das Mindeste, was ich dir für dein Auge schulde, nicht wahr?«
    Alle fuhren zu ihm herum, die vier Männer an der Tafel waren aufgesprungen, und jetzt standen sie allesamt reglos da und gafften ihn an, als sei er von den Toten auferstanden. Julian hatte diesen Blick gründlich satt.
    Er ging hinter die Tafel, umarmte seinen Steward kurz, schüttelte Pfarrer, Bailiff und Reeve die Hand und wandte sich dann an die versammelten Dörfler. »Ich war verwundet und in Gefangenschaft. Vor drei Tagen konnte ich entkommen, aber ich fürchte, das ändert nicht viel an unseren Problemen. Ihr habt sicher alle gehört, dass König Henry, die Königin und der Prinz außer Landes geflohen sind und der Erbe des Duke of York, Edward of March, sich in London zum König hat ausrufen lassen. Dazu hatte er kein Recht, aber nach Lage der Dinge gibt es nichts, was wir derzeit dagegen tun können. Ich nehme an, dass in den nächsten Tagen seine Männer hier aufkreuzen werden,

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