Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
einstigeMarcher Lord, der nicht nur Jasper Tudors Land und Titel, sondern auch fast den gesamten Somerset-Besitz eingestrichen hatte, sah so aus, als wolle er sich im nächsten Moment mit gezückter Klinge auf den König, auf Somerset oder auf sonst irgendwen stürzen. Das Gesicht mit dem schwarzen Rauschebart hatte eine bedenklich purpurne Tönung angenommen. Schamlos weidete Julian sich an diesem Anblick, und als er den Kopf wandte, fand er sich Auge in Auge mit dem Earl of Warwick, der ihm gegenübersaß. Warwick ruckte fast unmerklich das Kinn in Herberts Richtung, zwinkerte Julian zu und lächelte genießerisch.
Julian lachte kopfschüttelnd vor sich hin.
Da Edward ein junger König von höfischem Geschmack war, wurde das Parlament nicht nur von Jagd und Turnier, sondern ebenso von zahllosen Festbanketten begleitet. Alle Lords, die auf sich hielten, richteten in ihren mehr oder minder prachtvollen Stadtpalästen und -villen eines aus und luden den König, sein Gefolge, ihre Freunde und auch so manchen Feind dazu ein.
Edward selbst war der verschwenderischste Gastgeber von allen, wie es sich gehörte. Julian hatte all seine Einladungen und auch die aller Yorkisten unter unschwer durchschaubaren Vorwänden ausgeschlagen, bis der königliche Bote, der ihn Mitte Mai aufsuchte, ihm ausrichtete, der König bestehe auf seiner Anwesenheit und der seiner liebreizenden Gemahlin.
Julian fühlte sich versucht, dem König für diesen kleinen Zusatz die Zähne einzuschlagen, aber er sagte zu.
»Lass mich zu Hause«, bat Janet.
Er schüttelte den Kopf. »Wir müssen hingehen, uns bleibt nichts anderes übrig. Wenn wir ihn öffentlich brüskieren …«, bringen wir alles in Gefahr, was Somerset mit seinem Opfer zu erreichen hofft, hatte er sagen wollen, aber das konnte er nicht, weil er seiner Frau ja nicht traute. Also beendete er den Satz stattdessen mit: »können wir unsere Siebensachen in Waringham zusammenpacken und der Königin in Schottland Gesellschaftleisten. Möchtest du das? Nein? Dann schlage ich vor, du kleidest dich um.«
»Und als Nächstes wirst du mir vorhalten, dass ich ja unbedingt mit zum Parlament wollte und nun gefälligst klaglos auslöffeln soll, was ich mir eingebrockt habe?«, erkundigte sie sich.
»Das Argument war mir noch nicht eingefallen, aber es ist stichhaltig«, räumte er ein.
Janet setzte seinem Grinsen ein etwas mattes Lächeln entgegen. Sie hatte eine Todesangst davor, den König wiederzusehen. Sie hatte sogar Angst vor ihrem Bruder. »Aber untersteh dich, mich allein zu lassen, wenn wir dort sind«, sagte sie brüsk.
Die trotzigen Worte, vor allem die Bitte, die sich dahinter verbarg, rührten ihn auf seltsame Weise. Er stand von der Bettkante auf, stellte sich hinter sie und legte für einen Moment beide Arme um ihren Leib. »Ich werde nicht von deiner Seite weichen, Lady Janet.«
Sie seufzte verstohlen. »Gut.«
Julian ließ sie los und vollführte eine auffordernde Geste. »Zieh das taubenblaue Kleid mit der Perlenstickerei an. Die Welt soll sehen, welch eine schöne Frau die Countess of Waringham ist. Und beeil dich. Es wird Zeit.«
»Waringham! Wie wunderbar, dass Ihr es einrichten konntet!« Edward strahlte und legte ihm in unpassender Vertrautheit die Hand auf den Arm.
Wie immer begrüßte Julian ihn mit einem unangemessenen Nicken. Janet an seiner Seite hingegen war in einen tiefen Knicks gesunken.
Edward nahm galant ihre Hand und hob sie auf. »Willkommen, Madam.« Lächelnd sah er ihr in die Augen.
Janet senkte den Blick. »Danke, Sire.« Sie sprach mit fester Stimme, und es klang ziemlich kühl.
Edward schien das nicht zu bemerken. »Welch eine Zierde meines kleinen Festes Ihr seid. Mir scheint, die Ehe und das Landleben bekommen Euch. Ihr blüht.«
Julian hatte die Fäuste geballt. Als er es merkte, öffnete er sie schleunigst wieder und atmete verstohlen tief durch. Lass uns gehen, Edward, dachte er grimmig, ehe es ein Unglück gibt.
»Danke, Sire«, wiederholte Janet, genauso unnahbar wie zuvor.
Edward sah grinsend auf ihren gesenkten Kopf in der schmucken taubenblauen Haube hinab, schaute dann zu Julian und zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
Von einem Herzschlag zum nächsten verfärbte Julians Sichtfeld sich rötlich und wurde unscharf, und er wollte einen Schritt auf den König zu machen, ohne jede klare Vorstellung, was er tun würde: ihm an die Kehle gehen, ihn niederschlagen, irgendetwas Verhängnisvolles dieser Art, als eine große Hand
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