Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
schwer auf seinen Arm fiel und ihn herumwirbelte.
»Gott zum Gruße, Schwager.«
Er blinzelte ein paar Mal, bis sein Blick wieder klarer wurde, und erkannte Janets Bruder vor sich – Lord William Hastings. Julian stieß hörbar die Luft aus und befreite seinen Arm mit einem unmissverständlichen Ruck. »Nennt mich nicht Schwager, wenn Ihr nicht wollt, dass ich Euch auf Eure lächerlichen Schnabelschuhe kotze, Hastings«, knurrte er.
Der zeigte ein äußerst schmallippiges Lächeln. »So unversöhnlich? Und mir kam es vor, als hätte ich Euch gerade einen Gefallen getan.« Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich an seine Schwester. »Nun, Janet? Ich hoffe, du bist wohl?«
Sie sah ihm nur kurz in die Augen und nickte. »Danke, William.« Wie einst Julian versuchte sie nun ihren Bruder mit ihrer Scheu zu täuschen und sich unsichtbar zu machen.
»Sie trauert um ihren Sohn, Sir«, erklärte Julian und sah Hastings unverwandt in die Augen, als er fortfuhr: »Ihr wusstet es nicht? Meine Gemahlin hat mir im Winter einen Erben geboren, aber stellt Euch vor, er wurde nur wenige Wochen alt.« Er gestattete sich ein kleines, kühles Lächeln.
Hastings Kinn bewegte sich, als beiße er sich von innen auf die Unterlippe. Er erwiderte seinen Blick, und Julian konnte förmlich zusehen, wie der Bruder seiner Frau sein Urteil überihn revidierte. Hastings glaubte, Julian habe Janets Bastard getötet. Und es war das erste Mal, dass er dem Earl of Waringham auch nur einen Hauch von Achtung entgegenbrachte.
Julian verabscheute ihn mehr denn je.
»Kopf hoch, Schwester«, sagte Hastings. »Ich bin überzeugt, er macht dir bald ein neues, he.« Fast kumpelhaft schlug er Julian auf die Schulter. Es kam so vollkommen unerwartet, dass Julian ein Zusammenzucken nicht verhindern konnte.
Hastings runzelte die Stirn. »Macht die Schulter Euch immer noch zu schaffen?«
Julian glaubte einen Moment, ihm bleibe das Herz stehen. Woher zum Henker konnte Hastings wissen, dass ein yorkistischer Pfeil ihm die Schulter verletzt hatte? »Meine Schulter?«, wiederholte er. Seine Stimme klang rau.
»Er meint deinen Reitunfall, Liebster«, sagte Janet an seiner Seite.
»Reitunfall?« Julian kam sich allmählich vor wie einer der Papageien, die es so zahlreich im Palast zu Westminster gab, weil der vorletzte König Henry sie aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte und sie einfach nicht sterben wollten.
»Hast du’s vergessen?«, fragte Janet lächelnd. »Im November, als du aus Hetfield zurückkamst? Ich habe meinem Bruder davon geschrieben.« Verborgen unter dem Saum ihres weiten Rockes trat sie ihm unsanft auf den Fuß.
»Ach so «, machte Julian, dem endlich ein Licht aufging. Er winkte ab. »Wie Schultern manchmal so sind, Sir … Es ist … hartnäckig«, improvisierte er.
Ihr Bruder hatte sich halb abgewandt und winkte einen Pagen herbei. Er hörte nicht richtig hin, stellte Julian erleichtert fest.
»Bring Lord Waringham und seine Gemahlin zu ihren Plätzen, Söhnchen«, trug Hastings dem Pagen auf. Dann verabschiedete er sich mit einem Nicken. »Genießt das Fest.«
Julian und Janet folgten dem livrierten Knaben zu einem Platz im oberen Drittel der rechten Seitentafel. Ziemlich weit oben in der Sitzordnung für einen Lancastrianer an einem Yorkistenhof,fuhr es Julian durch den Kopf. Geradezu peinlich. Aber das war im Moment seine geringste Sorge. »Was schreibst du für hanebüchenes Zeug in deine Berichte?«, zischte er Janet zu.
Sie hatte offenbar Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. »Es war Kates Idee«, verteidigte sie sich flüsternd. »Irgendetwas musste ich schließlich schreiben in all den Monaten, da du fort warst.«
»Und welche Missgeschicke hast du mir noch angedichtet?«, fragte er verdrossen. »Reitunfall … das glaub ich einfach nicht.«
»Sei doch froh. Es war eine unverfängliche, plausible Erklärung für deine Schulterverletzung.«
»Fragt sich nur, ob dein Bruder diesen Unfug glaubt. Er ist kein Narr.«
»Nein, das ist wahr. Aber heute Abend hat er aufgehört, dich für einen zu halten. Und das kann nur gut für dich sein, weil …« Sie unterbrach sich, um ihren Tischherrn zur Linken zu begrüßen, einen gewissen Lord Stanley. Sie machte ihn mit Julian bekannt, und sie tauschten ein paar leere Artigkeiten. Erst nachdem Julian eine Weile dem angeregten Gespräch zwischen seiner Gemahlin und dem Yorkisten gelauscht hatte, ging ihm auf, dass er jener Stanley war, der ihnen den ganzen Winter über als
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