Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Heu.«
Tristan und Lucas nickten erschöpft und wünschten ihm leise eine gute Nacht.
Julian ging zu seiner Kammer. Vor der Tür zögerte er einenMoment. Er hatte keine Ahnung, was ihn dahinter erwartete. Dieses Mal war er ein dreiviertel Jahr im Norden gewesen, und er hatte keinerlei Nachrichten erhalten.
Er gab sich einen Ruck, ehe Schreckensvisionen von Fehlgeburten und Wochenbettfieber ihm den Mut rauben konnten, öffnete die Tür so geräuschlos wie möglich und trat auf leisen Sohlen ein. Doch er hätte sich die Mühe sparen können, stellte er fest. Janet war wach. Sie saß im Hemd und in einen Mantel gewickelt beim Licht eines Öllämpchens auf der Bettkante und wiegte ein Bündel, das sie behutsam an die Brust gedrückt hielt.
Als sie die Tür hörte, hob sie den Kopf und zuckte erschrocken zurück.
Julian riss sich den Helm der ungekennzeichneten Rüstung vom Kopf. »Entschuldige …«
Ihre Augen leuchteten auf, und sie erhob sich. »Julian! Oh, Gott sei gepriesen. Hier.« Sie hielt ihm stolz das Bündel hin. »Der Sohn, den du wolltest.«
Er streifte die Stulpenhandschuhe ab, ließ sie achtlos ins Bodenstroh fallen und nahm ihr das Kind ab. Er hielt es im linken Arm und schob mit der Rechten behutsam die Wolldecke zurück, enthüllte ein zartes, von blondem Flaum umrahmtes Gesichtchen mit einer Knopfnase. Das grässliche Schwächegefühl in den Beinen verschlimmerte sich, und Julian sank auf den Schemel neben der Truhe. Hier war das Licht ein wenig besser, und er konnte seinen Sohn genauer in Augenschein nehmen. Ein Waringham, stellte er fest, aber er verspürte keine Freude angesichts dieser Erkenntnis.
»Wann?«, fragte er und schaute auf.
»Am Dreikönigstag. Ist das nicht ein seltsamer Zufall? Genau wie dein Großvater, nach dem du ihn unbedingt benennen wolltest. Was wir natürlich auch getan haben. Darf ich vorstellen, teurer Gemahl? Robert of Waringham. Aber die Mägde nennen ihn Robin, um nicht ständig an deinen schauerlichen Cousin erinnert zu werden.«
Robin of Waringham. Der Sohn, den er gewollt hatte, in derTat. Doch Robin hätte sich kaum einen unglücklicheren Zeitpunkt aussuchen können, um der Welt seine Aufwartung zu machen. Fortuna trieb wieder einmal grausame Scherze mit ihnen …
Julian nahm sich zusammen, küsste dem Säugling die Stirn und rang sich ein Lächeln ab. »Danke, Janet. Er ist ein prächtiger Bursche.«
Sie trat einen Schritt näher – zögernd, so schien es, stellte sich neben ihn und schaute ebenfalls auf ihr schlafendes Kind hinab. »Er sieht aus wie du. Kate behauptet allerdings, er habe meine Augen.«
»Und alles ist gut gegangen?«
Sie sagte, was alle Frauen ihren heimkehrenden Männern sagten, wenn sie in deren Abwesenheit eine Geburt durchgestanden hatten: »Es war ein Kinderspiel.«
Julian ahnte, dass sie ihn anlog. Schweigend schauten sie sich an. Janets Augen – die sein Sohn angeblich geerbt hatte – wirkten im schwachen Licht dunkler, als sie in Wirklichkeit waren, und ihr Blick war voller Wärme und ebenso voller Fragen. Julian konnte ihm nicht lange standhalten. Er spürte, wie Erschöpfung und Traurigkeit gleich einer großen grauen Welle über ihm zusammenschlugen, und er ließ den Kopf nach hinten gegen die Wand sinken und blinzelte entschlossen.
Janet legte die Hand auf seine Schulter. »Was ist passiert, Julian?«
»Nichts, was dich grämen würde«, gab er bissig zurück. Ihre Hand zuckte und rutschte von seiner Schulter.
Den schlafenden Säugling immer noch im Arm, stand Julian auf, ging ans Fenster und sah die dicken Tropfen von den Butzenscheiben perlen. »Es tut mir leid«, murmelte er. »Ich wollte dich nicht kränken. Du hast mir geschenkt, was ich mir gewünscht habe, und dafür bin ich dir dankbar. Warum belassen wir es nicht einfach dabei?«
»Wie du willst.« Es klang eher mitfühlend als schnippisch, und das war ihm nicht geheuer. Ihm wäre lieber gewesen, sie wäre kühl und unnahbar wie zu Anfang. »Wenn du gestattest,bringe ich Robin zu seiner Amme«, fuhr sie fort. »Ich hatte ihn bei mir, weil mir so einsam zumute war, aber er schreit nachts oft, und ich will nicht, dass er dich stört.«
Er nickte, sah noch einmal in das kleine Gesicht mit den roten Schlafbäckchen und gab das Kind zögernd seiner Frau.
Während sie fort war, legte er den Rest der schlichten Rüstung ab, stapelte die Teile geschickt ineinander und schob sie unter das Bett. Dann wusch er sich in der Schüssel auf der Kommode Gesicht und Hände
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