Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
und streckte sich auf der ausladenden, baldachinbeschirmten Schlafstatt aus.
Als Janet zurückkam, brachte sie ihm einen Becher Wein und ein großzügiges Stück Weizenbrot. »Hier. Du musst hungrig sein. Es war das Einzige, was ich finden konnte, ohne die Köchin zu wecken, aber wenn du willst, gehe ich noch einmal hinunter und …«
»Nicht nötig«, unterbrach er. »Danke.« Er trank durstig einen Schluck Wein. Appetit verspürte er nicht, obwohl er seit zwei Tagen nichts gegessen hatte. Mehr aus Vernunft biss er von dem Brot ab, und dann überkam ihn plötzlich Heißhunger, und er verschlang den Rest in wenigen großen Bissen. Danach fühlte er sich ein wenig besser. Die Lethargie fiel von ihm ab, und er setzte sich neben seine Frau aufs Bett und ergriff ihre Hand. »Hör zu, Janet. Dein alter Freund Lord Stanley hat uns fast bis Rochester verfolgt. Möglicherweise ist meine Maskerade aufgeflogen. Wenn sie kommen und mich verhaften …«
»Das können sie nicht!«, widersprach sie erschrocken. »Ich werde jeden Eid schwören, dass du den ganzen Winter hier warst.«
Er lächelte schwach. »Das wirst du nicht tun. Es ist wichtig, dass nicht auch du noch bei deinem König in Ungnade fällst. Du musst an Robin denken.«
»Aber was ist denn nur passiert, Julian? Warum warst du auf der Flucht? Wir hörten, die Lancastrianer hätten im Norden große Erfolge gefeiert. Was ist schiefgegangen? Sag es mir. Du musst mir vertrauen. Gerade wegen Robin. Begreifst du denn nicht, dass sich alles geändert hat? Ganz gleich, wie ich überYork und Lancaster denke, aber ich bin die Frau des jetzigen und die Mutter des zukünftigen Lord Waringham.«
Er wollte ihr gern glauben, stellte er fest. Die Vorstellung, dass seine Frau ungeachtet aller politischen Gegensätze loyal zu ihm stand, hatte etwas Unwiderstehliches. Es wäre ein Trost, und den hatte er bitter nötig.
Er sah ihr einen Moment in die Augen und traf seine Entscheidung. »Es stimmt«, begann er, »wir haben im Laufe des Winters viel an Boden gutgemacht. Vor allem dank Somerset und seiner Truppen. Ehe er sich mit Edward endgültig entzweite und wieder enteignet wurde, hat er alles flüssig gemacht, was er konnte, und mit dem Geld neue Soldaten angeworben. Mit ihnen haben wir den Yorkisten den Winter im Norden wahrlich bitter gemacht. Aber auch Somersets Mittel waren nicht unerschöpflich, und sein Hass auf die Yorkisten war so fanatisch, dass er zu jedem Risiko bereit war und unvorsichtig wurde. Vor drei Tagen haben sie uns bei Hexham in eine Falle gelockt und praktisch alles, was von Somersets Armee übrig war, vernichtet. Somerset selbst nahmen sie gefangen, und sie haben ihm dort und auf der Stelle den Kopf abgeschlagen.«
Julian hatte es gesehen. In dem großen Durcheinander nach der Schlacht hatte ihm in seiner ungekennzeichneten Rüstung niemand Beachtung geschenkt. Dennoch hatten er und seine Ritter sich sputen müssen, um unerkannt zu entkommen. Doch die Yorkisten, die zu Somersets Hinrichtung zusammenströmten, hatten ihn eingezwängt, und Julian hatte sich mit dem Strom treiben lassen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.
Henry Beaufort, der Duke of Somerset, war furchtlos, aber nicht gefasst in den Tod gegangen. Als er schon im Schlamm kniete und der Priester ihm das Kreuz zum Kuss reichte, hatte er den Kopf noch einmal gehoben, um das Haus von York und jeden, der ihm angehörte, zu verfluchen. Genau wie Julians Vater es getan hatte. Das Schwert das Scharfrichters hatte Somersets wütende Tirade abrupt unterbrochen, und als Julian den Kopf seines Cousins durch den Morast rollen sah, hatte er gewusst, dass sie am Ende waren.
Zusammen mit Lucas und Tristan hatte er sich auf den Heimweg gemacht, weil es nichts mehr gab, das sie noch hätten tun können. Und noch ehe sie die Straße nach Durham erreichten, hatten sie gemerkt, dass sie verfolgt wurden. Wie die Jäger den Fuchs hatten Stanley und seine Männer sie gehetzt, und dass ihnen nichts anderes übrig blieb, als zu fliehen, hatte ihnen das ganze Ausmaß ihrer Niederlage vor Augen geführt.
»Jetzt …« Er räusperte sich und hob die Linke zu einer matten Geste. »Jetzt sind wir geschlagen. Marguerite ist in Frankreich in Deckung gegangen, aber König Louis wird ihr nicht mehr helfen. Der Prinz ist noch ein Knabe. Der König − ich meine König Henry − dämmert in Schottland vor sich hin. Ich weiß nicht einmal, wo genau er ist. Sein Bruder, Jasper Tudor, hat in Wales noch viel Einfluss und viele
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