Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Lancastrianer hörten der Unterhaltung wieder zu.
Julian zog eine Augenbraue hoch. »Ich versuche, die Tatsachen festzustellen«, gab er zurück. »Wenn wir alle wie du die Augen vor den Stärken unserer Feinde verschlössen, wäre unsere Sache aussichtslos.«
»Julian.« Ned Beaufort trat vor ihn und verschränkte die Arme. »Selbst wenn wir uns dazu durchringen könnten, uns mit Warwick zu verbünden. Und selbst wenn Warwick verzweifelt genug wäre, sich mit uns zu verbünden – was ich für noch undenkbarer halte –, wie könnten wir ihm jemals trauen?«
Julian wusste die Antwort auf diese Frage, aber er fürchtete, wenn er sie jetzt aussprach, würden sie alle die Schwerterzücken und ihn in sehr viele sehr kleine Stückchen hacken. Er räusperte sich. »Alles zu seiner Zeit, Ned.«
»Ich halte das für undurchführbar«, bekundete Hal Stafford und schüttelte düster das graue Haupt.
»Und ich werde dabei auf keinen Fall mitmachen«, schimpfte Percy.
Oxford betrachtete die Eiferer und Zweifler mit Belustigung und warf ein: »Das wäre vielleicht nicht weiter tragisch, Percy. Aber ich fürchte, Warwick wird das Gleiche sagen. Warum sollte er verzweifelt sein? Er sitzt doch warm und trocken in Calais, dessen Garnison ihm mit Mann und Maus ergeben ist. Und sein Töchterchen brütet gerade einen kleinen York aus – bitte um Vergebung, Ladys. Wenn er ein bisschen Glück hat und dieser Enkel ein Junge wird, kann er Edward damit die Hölle heiß machen, denn Edward hat nur Töchter. Ich würde sagen, Warwick hat eine kleine Durststrecke. Aber die Trümpfe hat immer noch er in der Hand. Woran ihr sehen könnt, Gentlemen, dass Julian leider völlig Recht hat: Warwick, ob es euch gefällt oder nicht, steckt jeden von uns hier in den Sack.«
Er erntete finstere Blicke und unwillige Brummlaute, aber niemand fand mehr so rechten Grund, ihm zu widersprechen.
Julian erhob sich von seinem Sessel, ging zur Tür und öffnete sie. Draußen standen Lucas Durham und Tristan Fitzalan auf Wache. »Lucas, wärst du so gut, meine Frau herzuholen?«, bat Julian.
Lucas nickte und klopfte an die schräg gegenüberliegende Tür, hinter welcher Julians und Janets großräumiges neues Schlafgemach lag. Er musste nicht lange warten. Fast augenblicklich öffnete Janet, kam heraus auf den Gang und trat zu Julian. In der Hand hielt sie einen gefalteten Pergamentbogen.
Julian sah ihre Hand leicht zittern und zwinkerte seiner Frau zu. »Hab keine Furcht«, murmelte er. »Sie sind Lancastrianer, aber sie sind trotzdem Gentlemen.«
Das erwies sich als richtig. Die Männer in der Halle empfingen Janet mit versteinerten Mienen, ihr Gruß war kühl. Aber nicht einmal Percy wagte, unhöflich zu ihr zu sein.
Mit hoch erhobenem Kopf und kerzengeradem Rücken ging sie zum Kamin hinüber, wandte sich um und sah scheinbar unerschrocken in die Gesichter ihrer Feinde. Julian wusste indessen, dass sie sich vor dieser Situation gefürchtet hatte, und er war stolz auf sie, weil sie sich nichts davon anmerken ließ.
Ausgerechnet Oxford, der in den Händen ihres Bruders Gott weiß was durchlitten hatte, stand auf, machte einen kleinen Diener und wies auf seinen Sessel. »Nehmt doch Platz, Lady Janet.«
Janet erwiderte kühl: »Danke, Mylord, aber ich gedenke, nicht lange zu bleiben.«
Julian trat zu ihr und legte ihr einen Arm um die Taille. »Meine Gemahlin hat einen Brief von Warwicks jüngerer Tochter, Anne Neville, erhalten, deren Gouvernante sie einmal war. Der Bote kam heute Nachmittag hier an, etwa zwei Stunden später als der junge Mortimer Welles. Ich will Eure Deutung nicht vorwegnehmen, aber mir kommt es vor, als wolle Gott uns ein Zeichen geben. Dieser Brief ist ebenso vertraulich wie brisant, aber Lady Janet hat sich bereitgefunden, uns ein Stück vorzulesen.«
»Bereitgefunden« entsprach vielleicht nicht ganz der Wahrheit. Janet war aufgewühlt und ratlos zu ihm gekommen und hatte ihm den Brief gezeigt, weil sie wusste, dass das Schicksal der jungen Anne ihm nicht gleichgültig war. Doch als er sie bat, den lancastrianischen Lords den Inhalt zugänglich zu machen, hatte sie natürlich sofort ein Komplott gegen ihren König gewittert und sich geweigert. Julian hatte ihr das Schreiben nicht mit Gewalt abnehmen und gegen ihren Willen hier vorlesen wollen, denn das wäre sowohl ihr als auch Anne gegenüber in höchstem Maße unanständig und ehrlos gewesen. Eine Stunde lang hatten sie gestritten, dass die Fetzen flogen, und schließlich
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