Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
besser.«
»Was ist los mit dir, Julian?«, fragte Oxford verständnislos. »Ich hätte gedacht, nachdem der junge Richmond aus den Klauen der Yorkisten befreit ist, hält dich nichts mehr.«
Julian fuhr versonnen mit dem Finger über den Rand seines Bronzepokals und dachte nach. Schließlich hob er den Kopf, sah der Reihe nach in die vertrauten Gesichter und sagte: »Ich bin zu allem bereit. Aber wir haben so, wie wir jetzt dastehen, keine Chance gegen Edward. Wir sind nur noch so wenige. Und ganz gleich, was ihr denkt, Edward ist willensstark, klug, ein hervorragender Soldat, und jetzt, nachdem er seinen Bruder und Warwick quasi aus dem Land gejagt hat, hat er mehr Unterstützung bei Adel und Ritterschaft, als ihr wahrhaben wollt.«
»Du kneifst«, schloss Percy fassungslos.
»Woll’n wir vor die Tür gehen?«, fragte Julian ihn. Er sprach, ohne die Stimme zu erheben, aber sein Zorn war unübersehbar.
»Warum musst du immer das Maul aufreißen, Percy«, grollte Oxford.
Der Gescholtene hob zerknirscht beide Hände. »Entschuldige, Julian.«
Der brummte verstimmt, fuhr dann aber sachlich fort: »Ichkneife nicht. Ich will nur verhindern, dass schon wieder Lancastrianer-Blut in Strömen fließt und wir endgültig untergehen, weil wir leichtsinnig auf die Unterstützung verzichtet haben, die sich uns auf einem Präsentierteller bietet.«
Einen Moment herrschte verblüffte Stille. Dann fragte Ned Beaufort: »Es gibt jemanden außerhalb dieses Raumes, der uns unterstützen würde? Wer soll das sein? Kenne ich ihn?«
»Oh ja, Ned. Du kennst ihn. Sein Name ist Richard Neville, und er ist der Earl of Warwick.«
Sie starrten ihn an, als wäre ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. Dann fielen sie über ihn her – ein gutes Dutzend Männer zweifelten lautstark, wortreich und in unterschiedlichen Abstufungen der Entrüstung an seinem Verstand. Viele waren aufgesprungen. Percy veranstaltete erwartungsgemäß das lauteste Geschrei. Megans Gemahl und ihr Cousin Ned Beaufort sprachen miteinander, schüttelten die Köpfe, die Mienen angespannt. Megan trat leise wie ein Schatten zu ihnen, und beide lauschten höflich, als sie etwas sagte, wirkten aber nicht überzeugt. Alle anderen redeten durcheinander, ihre Gesten ruckartig und von unterdrückter Heftigkeit, als versuchten sie, mit bloßen Händen Yorkisten-Köpfe abzuschlagen.
Der Einzige, der kein Wort sagte und seelenruhig in seinem Sessel saß, war der Earl of Oxford – Warwicks Schwager und einstiger Vertrauter. Julian sah ihn an, und Oxford erwiderte den Blick mit einem bitteren kleinen Lächeln.
Von allen Männern im Raum war Oxford Julian der liebste. Er war nicht so impulsiv wie Percy, nicht so verzagt wie Hal Stafford, nicht so von Hass zerfressen wie Ned Beaufort. Dabei hätte auch Oxford guten Grund gehabt, die Yorkisten und ihren König zu hassen. Sie hatten seinen Vater und Bruder hingerichtet und ihn selbst eine Weile in den Tower gesperrt. Niemand wusste, was dort mit ihm passiert war, aber es hieß, Hastings habe ihn sich mehrfach vorgenommen, und Oxfords linkes Ohr war eine verstümmelte, eigentümlich zerschmolzene Monstrosität. Julian tippte auf ein Brandeisen. Man munkelte, Oxfordhabe versucht, sich aufzuhängen, ehe er anfangen konnte, die Geheimnisse der Lancastrianer auszuplaudern. Das war ihm nicht geglückt, aber bis auf seine eigene lancastrianische Gesinnung hatte er nichts preisgegeben, als König Edward schließlich befahl, ihn laufen zu lassen.
»Das ist eine ziemlich groteske Idee, Julian«, sagte er. Es klang seltsamerweise wie ein Lob.
Julian schlug seelenruhig die Beine übereinander. »Meinst du wirklich?«
»Allerdings. Natürlich kann ich deinem Gedankengang folgen, aber es scheitert schon daran, dass Warwick das niemals in Erwägung ziehen würde. Ganz gleich, wie es derzeit zwischen ihm und Edward steht, Warwick ist Yorkist.«
»Nein, es ist nicht gleich, wie es derzeit zwischen ihm und Edward steht«, widersprach Julian. »Du weißt doch so gut wie ich, dass Warwicks Loyalität in allererster Linie Warwick gilt. Natürlich ist er Yorkist, aber wenn er sieht, dass sein Kurs ins Verderben führt, wird er ihn ändern. Warwick ist immer für eine Überraschung gut.«
»Na ja, das ist wahr.«
»Und in Taktik, politischem Kalkül und an Skrupellosigkeit ist er jedem von uns überlegen.«
»Es ist widerlich , mit welcher Bewunderung du das sagst!«, schnauzte Percy. Der Aufruhr hatte sich gelegt, und die versammelten
Weitere Kostenlose Bücher