Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
getan, nicht wahr.«
»Hör auf damit«, fuhr Julian sie an und machte einen Schritt auf sie zu.
Sie ohrfeigte ihn.
Julian war nicht sonderlich erschüttert, erst recht nicht überrascht. Er hatte gewusst, dass dies hier nicht ohne Handgreiflichkeiten abgehen würde. »Fühlst du dich nun besser?«, fragte er. »Denkst du, jetzt, da du dir Luft gemacht hast, bist du in der Lage, den Fakten ins Auge zu sehen, wie man es von einer Königin erwarten darf?«
Sie nahm den Weinbecher, den sie zu seiner Begrüßung hatte kommen lassen, und schüttete Julian den Inhalt ins Gesicht. »Fahr zur Hölle, du Verräter!« Der leere Becher flog haarscharf an seinem Kopf vorbei und prallte scheppernd gegen die Wand.
Julian fuhr sich kurz mit dem Ärmel über die Augen, packte Marguerites Unterarm, zog sie mit einem Ruck näher und knurrte: »Du verfluchtes Miststück …«
Sie sahen sich an. Keine Handbreit trennte sie. So nahewaren sie sich seit Jahren nicht gewesen. Ein Funkeln trat in Marguerites Augen, und für ein paar Herzschläge kam es Julian vor, als sei die Zeit zehn Jahre zurückgedreht. Ihr Blick verspottete ihn und forderte ihn heraus, genau wie früher. Und genau wie früher spürte er den Drang, den Handschuh aufzuheben, den sie ihm hinwarf. Das kranke, zerstörerische Verlangen, der Reiz des Verbotenen, die Versuchung, diesen königlichen Hochmut zu brechen – sie waren noch genauso verführerisch wie einst.
Doch irgendetwas hatte sich geändert. Er selbst, vermutete er. Er ließ sie los, brachte einen Schritt Abstand zwischen sie, und der Moment war vorüber. »Wollen wir vielleicht ausnahmsweise einmal versuchen, uns wie zivilisierte Menschen zu benehmen und vernünftig über diese Sache zu reden?«
Sie hatte sich nicht gerührt und ließ ihn nicht aus den Augen. »Ich nehme an, das sagst du, weil die Reize meiner Jugend dahin sind«, höhnte sie.
Julian ging zu ihrem Bett hinüber. Auf einem Tisch neben den geschlossenen Vorhängen stand eine Schale mit Wasser. Er tauchte die Hände hinein, schöpfte und wusch sich den würzig duftenden Rotwein von Gesicht und Hals. Nachlässig trocknete er sich mit einem ausgefransten Handtuch ab, das neben der Schüssel bereit lag, wandte sich wieder um und lehnte sich mit verschränkten Armen an den Tisch. »Nein«, sagte er schließlich. »Das sind sie nicht.« Er hörte selbst, wie verwundert er klang.
Marguerite war vierzig – sieben Jahre älter als er. Englische Frauen dieses Alters waren welk, viele Bäuerinnen gar alt, krumm und zahnlos. Marguerite hingegen schien über die Geheimnisse zu verfügen, die nur französischen Frauen bekannt waren. Ihre Haut war nicht mehr so frisch und pfirsichglatt wie einst, aber straff, das Haar so braun und leuchtend wie eh und je, die Zähne weiß, die Lippen rot, die Figur unverändert. Julian fand sie immer noch anziehend, und er gab sich keine Mühe, diese Erkenntnis vor ihr zu verbergen. »Also, was sagst du?«
Marguerite kam unentschlossen näher, ließ sich ihm gegenüber auf den Fenstersitz sinken und faltete die Hände im Schoß. »Wie geht es Henry?«, fragte sie abwesend.
»Bist du auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema?«, entgegnete er amüsiert.
»Darf ich mich nicht nach dem Befinden meines Gemahls erkundigen?«, gab sie spitz zurück.
»Ich kann mich nicht erinnern, dass du das je zuvor getan hättest. Aber warum nicht. Besser spät als nie. Ich denke, es geht ihm so gut, wie man erwarten kann. Er klagt über dieses und jenes Leiden und wirkt hinfällig. Doch sie behandeln ihn anständig und höflich und versorgen ihn reichlich mit Priestern und Mönchen. Mehr braucht er ja nicht, um zufrieden zu sein. In letzter Zeit schien er mir oft bei klarem Verstand, aber er hat keinerlei Interesse mehr an der wirklichen Welt jenseits der Mauern des Tower.«
»Das hatte er nie«, sagte Marguerite. Es klang eher resigniert als wütend.
»Nein«, stimmte Julian zu. Er trat vor sie, zog sich mit dem linken Fuß einen Schemel heran, setzte sich ihr gegenüber und ergriff ihre Hände. »Denk darüber nach. Was er jetzt im Tower tut, könnte er in Westminster fortsetzen. Wir werden ihn nicht wieder aus seiner Einkehr reißen und ihm, uns und der Welt weismachen, er regiere England. Das wird Edouard tun.«
»Unter Warwicks Fuchtel«, fügte sie angewidert hinzu.
Julian war klug genug, ihr nicht zu widersprechen. Ihr jahrelang genährter Zorn konnte sich jeden Moment wieder Bahn brechen, und der Versuch, sie
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