Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
gefangen nehmen konnten.«
»Ja, ich weiß. Sie sperrten meinen Vater und dich in ein Verlies, und dort erwischte ihn die Pest.«
Julian nickte. »Aber selbst als Edmund wusste, dass ersterben würde, hat er mir auferlegt, den Namen des Verräters geheim zu halten und vor der Rache deines Onkels und Großvaters zu schützen.«
»Aber … warum?«, fragte der Junge verständnislos.
»Es war jemand, für den er sich verantwortlich fühlte. Und dein Vater war ein sehr großzügiger Mann, weißt du.«
»Wirklich? Oder war er ein Narr?« Es klang schneidend.
»Na ja. Großzügigkeit und Torheit liegen oft nah beieinander«, räumte Julian ein. »Aber dein Vater war kein Narr, glaub mir. Im Gegenteil. Heute kommt es mir manchmal so vor, als sei er weiser gewesen als die meisten. Auf jeden Fall war er glücklicher, weil er in der Lage war, die Dinge so zu nehmen, wie sie kamen. Diese Gnade ist nicht vielen gegeben. Und auf seine unbekümmerte, scheinbar arglose Art hat er bekommen, wonach viele andere sich vergeblich verzehrt haben, darunter auch ich«, schloss er.
»Was?«, fragte der Junge neugierig.
Julian lächelte. »Deine Mutter, Richmond.«
Nach einer Woche hörte es auf zu regnen. Der Himmel hing noch voll schwarzer Wolken, aber die Fischer in den Dörfern an der Straße von Menai sagten, der Wind werde drehen und die Sonne endlich wieder zum Vorschein kommen.
»Wenn der Wind dreht, müssen wir aufbrechen«, sagte Julian schweren Herzens.
Lucas nickte. »Es wäre peinlich, wenn wir zu spät zur Entscheidungsschlacht kämen.« Auch sein Bedauern war unüberhörbar.
»Reite zum Hafen, Lucas, sei so gut. Sag Captain Ingram, wir laufen morgen früh mit der Flut aus.«
»In Ordnung.« Lucas packte den kleinen Robin, der zu ihren Füßen im Schlamm mit seinen Holzrittern spielte, unter den Achseln und schwang ihn in die Höhe. »Komm mit, Krümel. Du kannst mir Gesellschaft leisten.«
Der Sechsjährige strampelte. »Lasst mich runter, Sir Lucas, lasst mich runter!«
Lucas tat nichts dergleichen. »Oh, nun komm schon. Du weißt doch, ich hab Angst vor meinem Pferd. Wenn du dabei bist, ist es viel braver …«
Robin kicherte, und als Lucas ihn auf seine Schultern setzte, erhob er keine Einwände mehr.
Julian fand seine Frau bei Mary und Generys in der Küche, wo sie an der langen steinernen Anrichte stand und einen Kuchenteig rührte. Edmund und Alice saßen links und rechts von ihr auf der Arbeitsplatte, ließen die Füße baumeln und stibitzten Teig aus der Schüssel. Jedes Mal, wenn Janet sie erwischte, gab sie vor, zu langsam zu sein, um die Beute zurückzuholen, stimmte ein empörtes Gezeter an, nannte die beiden kleinen Diebe Lumpenpack und Beutelschneider und drohte ihnen mit dem Rührlöffel. Die Kinder kreischten vor Vergnügen.
»Vater!«, rief Edmund plötzlich aus. Mit drei Jahren war er noch zu klein, um von der Anrichte auf den Boden zu springen, also streckte er erwartungsvoll die Arme aus. Julian trat zu ihm und nahm ihn auf, obwohl sein Sohn ziemlich klebrig war. Zwei kleine Arme schmiegten sich um seinen Hals, und Julian küsste die daunenweichen blonden Locken. Über Edmunds Kopf hinweg schaute er Janet an.
Sie ließ den Rührlöffel sinken. »Es ist also so weit.«
»Morgen früh«, bestätigte Julian.
Sie nickte, zuckte die Schultern und wandte sich wieder ihrem Teig zu. »Tja. Nicht zu ändern.« Es klang wie: Mir soll’s gleich sein.
Julian spürte die verstohlenen Blicke der beiden Mägde. Er nahm an, sie verstanden kein Englisch, aber die Gestik und Mimik ehelicher Zwistigkeiten waren gewiss in allen Sprachen gleich. Er wandte sich an Generys. »Wärst du so gut?« Er zeigte auf Janets Rührlöffel.
Generys trat hinzu, nahm Julians Frau den Löffel mit einem scheuen Lächeln ab und setzte die Arbeit fort. Julian verfrachtete seinen Sohn wieder auf die Anrichte. Die Kinder schienennichts dagegen zu haben, in der Obhut der walisischen Frauen zu bleiben.
»Wohin gehen wir?«, fragte Janet, nachdem sie die Küche verlassen hatten.
Er antwortete nicht, ergriff ihre Hand – fester, als seine Gewohnheit war – und brachte sie zu der hellen, geräumigen Kammer im Obergeschoss des »großen Hauses«, die man für sie hergerichtet hatte.
»Janet, es wird Zeit für ein offenes Wort«, sagte er, als er die Tür geschlossen hatte.
Janet ging ans Fenster, riss sich mit einer ungeduldigen Bewegung das Tuch vom Kopf und fächelte sich Luft zu. Ihre Wangen waren gerötet; in der
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