Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Arme vors Gesicht gehoben, als könne sie die Gegenwart ihres Todfeindes so verleugnen, und wimmerte leise.
Gloucester streifte sie mit einem Blick, als betrachte er einen interessanten, aber doch abstoßenden Käfer. Dann sah er wieder zu Julian.
»Wir werden Euch bald von Euren Qualen erlösen, Mylord.«
»Solche Güte bin ich von euch Yorkisten gar nicht gewohnt«, gab Julian zurück. Es war heraus, ehe er einen bewussten Entschluss gefasst hatte. Er funktionierte wie ein aufgezogenes Spielzeug. In Wahrheit war ihm gleich, was für eine Figur er vor seinen Feinden machte oder was sie mit ihm taten. Er fühlte gar nichts mehr.
Gloucester winkte seine Ritter herein. »Bindet ihn und bringt ihn dem König. Und bindet auch dieses unwürdige Häuflein Elend auf dem Fußboden. Lasst Euch von der Rolle der trauernden Mutter nicht täuschen. Bald wird sie wieder hinreichend beieinander sein, um Gift und Galle zu spucken. Nicht wahr, Madame?«
Sie ließ durch nichts erkennen, dass sie seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen hatte. Der Ritter, der sie auf die Füße zog, war wenigstens ein Gentleman und tat es behutsam. Marguerite ließ alles willenlos mit sich geschehen, starrte blicklos ins Leere und wimmerte immer noch.
Der Mann, der Julian die Hände fesselte, war weniger zartfühlend. Julian musste die Zähne zusammenbeißen, denn seine Schulter fühlte sich an, als habe wieder jemand eine Pfeilspitze hineingesteckt – dieses Mal eine glühende.
Sie zerrten ihn rüde hinaus. Er verdrehte den Kopf, um noch einen Blick auf Marguerite zu erhaschen. Er wusste, es war das letzte Mal.
Ihre Augen trafen sich, für einen Moment kehrte Klarheit in Marguerites zurück, und immer noch erinnerten sie Julian an das Blau einer Stahlklinge in der Sonne. Die Königin lächelte ihm zu. »Fahr zur Hölle, Julian of Waringham.«
Gloucester lachte anerkennend vor sich hin. »Noch heute, Madame. Ihr habt mein Wort.«
Unweit des Schlachtfeldes auf einer Weide außerhalb von Tewkesbury hatten die siegreichen Yorkisten ihr Lager aufgeschlagen. Ein prächtiges geräumiges Zelt mit dem königlichen Wappen war für Edward errichtet worden, und gar nicht weit davon entfernt war der Richtplatz.
Ein paar hundert yorkistische Lords, Ritter und Soldaten hatten sich dort im Kreis um den Henkersblock versammelt, für den man in aller Schnelle ein Podest gezimmert hatte, damit auch die Zuschauer in den hintersten Reihen etwas sehen konnten.
Als Gloucesters Ritter Julian durch die Menge schoben, bildete sich eine Gasse. Julian erreichte die Mitte des kleinen Platzes, ohne dass Schmährufe oder Wurfgeschosse ihn trafen, und entdeckte Ned Beaufort und fünf weitere lancastrianische Lords, die genau wie er die Hände gebunden hatten und ihm mit ernsten, aber gefassten Mienen zunickten.
»Das dürften alle sein«, sagte Lord Hastings. »Der Rest der Bande ist gefallen.« Zufrieden betrachtete er die Reihe illustrer Gefangener, und er gab durch nichts zu erkennen, dass er Julian verwandtschaftlich verbunden war.
Ein Trompetenstoß kündigte den König an, und unter dem Jubel seiner Männer trat Edward mit seinen beiden Brüdern in die Mitte des Platzes. Der König hatte einen blutigen Kratzer auf der Stirn. Er hatte frische Gewänder angelegt, aber man konnte sehen, dass er sich während der Schlacht nicht geschont hatte. Er wirkte erschöpft und angespannt.
»Mylords«, sagte er zu den Gefangenen. »Wir bedauern, dass wir uns unter diesen Umständen wiedersehen, aber Ihr zählt zu den Unbelehrbaren, und so bleibt Uns keine andere Wahl. Ihr alle habt Euch zum wiederholten Male in verräterischer Absicht gegen Uns und Unseren Thron erhoben, und Ihr alle werdet dafür mit dem Leben bezahlen. Möge Gott Euch gnädig sein.«
Auf sein Zeichen trat ein Priester zu den Gefangenen, die sich nebeneinander ins Gras knieten.
»Beichtet Eure Sünden, mein Sohn«, sagte der Geistliche zu Julian. »Denn Ihr werdet noch heute vor Euren Schöpfer treten.«
Julian hob den Blick und sah ihm einen Moment in die Augen. Er fand dort keine christliche Barmherzigkeit, sondern nur kühle Feindseligkeit. »Nein, danke, Vater. Ich habe letzte Nacht vor der Schlacht gebeichtet und seither nichts getan, das ich bereue.«
»Ihr habt Männer getötet.«
»Ich habe die Krone des rechtmäßigen Königs verteidigt.« Und gleichzeitig dachte er: Herr, vergib mir all das Blut, dass ich heute vergossen habe, aber ich kann diesem yorkistischen Pfaffen nicht beichten. Ich
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