Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
hoffe, die Lollarden haben Recht, und du hörst mich auch so. Vergib mir meinen Hochmut, mit dem ich das Leben meines Prinzen so leichtfertig verspielt habe. Halte deine schützende Hand über meine Kinder, meine Schwestern und meine geliebte Janet. Amen.
»Ich fürchte, dann seid Ihr auf dem Weg in die ewige Verdammnis, mein Sohn«, sagte der Priester betrübt.
Julian schloss die Augen, sperrte ihn aus seinem Bewusstsein und betete stumm ein Paternoster .
Nur der junge Hugh Courtenay wollte beichten, und auch er brauchte nicht lange.
»Alsdann, Gentlemen«, sagte Lord Hastings und machte eine auffordernde Geste. Man hätte meinen können, dass er sich nur mit Mühe davon abhielt, sich die Hände zu reiben.
Ned Beaufort war derjenige unter den Gefangenen, der von höchster Geburt war, darum war es sein Privileg, der Erste zu sein und seine Freunde nicht sterben sehen zu müssen.
Ohne zu zögern, erhob er sich aus dem Gras und murmelte: »Wohlan, Julian. Heute Abend sitzen wir mit unseren Vätern und Brüdern und mit unserem Prinzen am Tisch des Herrn.«
Julian unterbrach sein Gebet, hob den Kopf und lächelte ihm zu. Er bedauerte, dass er sich nie die Mühe gemacht hatte, Ned Beaufort besser kennen zu lernen. Unter all der Bitterkeit und dem Hass verbarg sich wahrer Edelmut, stellte er jetzt fest. »Auf bald also, Ned. Gott sei mit dir.«
Ned Beaufort schüttelte die Hände ab, die sich auf seine Schultern legen wollten, und trat hoch erhobenen Hauptes auf das Podest und an den Richtblock. Es war still geworden auf dem Platz, nur der für den Wonnemonat untypisch scharfe Wind war zu hören. Er raschelte im Gras und ließ die Zeltplanen knarren.
Der maskierte Scharfrichter – ein Freiwilliger aus EdwardsArmee, der sich die ganze Zeit an seinen Äxten zu schaffen gemacht und umständlich die Schärfe ihrer Klingen überprüft hatte – griff nach dem ersten Beil, trat an den Block und nahm in der typischen breitbeinigen Haltung Aufstellung.
Ned Beaufort kniete sich vor den Block, legte den Kopf darauf, und als die Soldaten hinzutraten und ihm mit einem Dolch das Haar abschnitten, schloss er die Augen. Dann traten die Henkersgehilfen schleunigst beiseite. Der Scharfrichter schaute zu Edward.
Der König schluckte, aber seine Entschlossenheit war seiner Stimme anzuhören: »Vollstrecken.«
Der Henker holte weit aus, Ned Beaufort rief: »Lang lebe Lancaster!«, und dann fuhr die Klinge nieder, schimmerte silbrig in der Nachmittagssonne und trennte mit einem schaurigen Knirschen den Kopf vom Rumpf.
Als Neds Blut aufspritzte und der kopflose Leib langsam zur Seite sackte, spürte Julian einen Moment würgender Angst, und er beneidete Ned um den Vorzug, der Erste zu sein. Ich bin der Nächste. Noch ein paar Atemzüge, dann würde es sein Kopf sein, der durchs Gras rollte. Sein Leben würde verlöschen. Dabei gab es noch so vieles, das er tun wollte, so vieles, was er so vielen Menschen noch zu sagen hatte, vor allem seiner Frau. Er wollte sie noch ein letztes Mal sehen, wollte Robin und Alice und Edmund und John und Juliana noch einmal sehen und das ungeborene Kind, das Janet trug. Aber der Moment verging, und er behielt die Oberhand über seine Blase. Er wusste, er konnte nicht mit der Schuld weiterleben, die er auf sich geladen hatte. Es war gut so. Es war recht.
Er stand auf, ehe irgendwer ihn auffordern konnte.
Während die Soldaten Neds Leichnam wegschleiften, sah Julian zu Hastings. »Nehmt Euch Eurer Schwester und ihrer Kinder an, Mylord.« Es war bitter, ausgerechnet diesem Mann seine Familie anvertrauen zu müssen. Aber Hastings war mächtig, und sie würden mächtigen Schutz brauchen.
Die Miene seines Schwagers war so distanziert und teilnahmslos wie immer, aber er deutete ein Nicken an.
Julian stieg auf das Schafott, legte den Kopf auf den blutbesudelten Block und dachte: Keine Schande für mein Haus mehr, Vater. Was er heraufbeschworen hatte, war furchtbar, aber er fand Trost in der Gewissheit, dass sein Vater und jeder Waringham vor ihm genau das Gleiche getan hätte.
Roh packte eine Hand seinen Schopf im Nacken und säbelte die blonden Locken ab.
»Vollstrecken«, sagte der König. »Gott sei Euch gnädig, Julian.«
Weil die Verurteilten allesamt feine Lords waren, wurde jedem eine frisch geschliffene Axt zugestanden, damit es bei den Hinrichtungen keine unappetitlichen Pannen gab, die einen zweiten oder gar dritten Hieb erforderlich gemacht hätten.
Der Henker ergriff das zweite Beil in
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