Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
und eilte zum Karren, der auch den Richtertisch hergebracht hatte.
»Augenblick.« Julian trat ein paar Schritte vor. »Bei allem gebotenen Respekt, Sir, aber das dürft Ihr nicht. Mehr als einmal könnt Ihr sie für ein Vergehen nicht aufknüpfen.«
Delacour runzelte die Stirn. »Und wer seid Ihr, Söhnchen?«
»Der Earl of Waringham.«
»Ah ja? Nun, ich kann mir schon vorstellen, dass Ihr das Vergehen der Magd für eine lässliche Sünde haltet, hat sie Euch doch vortrefflich den Weg geebnet, aber ich kann sie neunundzwanzig Mal aufhängen, wenn ich will. Für jedes verlorene Leben einmal.«
Julian lächelte unverbindlich. »Hättet Ihr sie nicht für alle neunundzwanzig schon verurteilt, vielleicht. Aber so …«
Der Sheriff winkte mit einem unwilligen Knurren ab. »Ich werde den Teufel tun und Haare mit einem Milchbart spalten. Fennyng, wo bleibt der Strick, Herrgott noch mal?«
Daniel trat neben Julian und lockerte scheinbar beiläufig das Schwert in der Scheide. »Der Junge hat Recht, Delacour, und das wisst Ihr verdammt genau.«
Der Sheriff verzog verächtlich die Mundwinkel. »Sir Daniel Raymondson, sieh an. Noch jemand, der Lord Waringham keine Träne nachweint.«
Daniel streifte seinen Handschuh ab und ließ ihn am Zeigefinger vor Delacours Augen baumeln. »Soll ich? Überlegt lieber gut, Mann. Ihr habt mächtig Fett angesetzt, seit wir uns zuletzt gesehen haben.«
»Warum bringt mir denn niemand einen Becher Wasser?«, scholl Adams Stimme zu ihnen herüber. »Ihr Herz schlägt, aber sie atmet nicht!«
Julian wandte den Kopf. »Na los, Emily, hilf deinem Bruder.«
Als löse sich plötzlich ein Bann, lief Emily mit dem kleinen Melvin an der Hand zum Brunnen und schöpfte. Die übrigen Dorfbewohner verfolgten gespannt die Auseinandersetzung.
»Seid Ihr sicher, dass Ihr mich daran hindern wollt, das Gesetz des Königs zu befolgen?«, fragte der Sheriff drohend.
»Ihr seid im Begriff, gegen das Gesetz des Königs zu verstoßen «, widersprach Julian, obwohl er wusste, dass es unklug war. Dass allein seine Jugend den Sheriff reizte und er es deshalb lieber Daniel überlassen sollte, diesen Disput zu führen. Aber er konnte sich nicht zurückhalten. »Ein gerissener Strick ist ein Gottesurteil, Sir, und allein der König kann verfügen, den Verurteilten noch einmal aufzuhängen.«
»Und der König würde natürlich nie gegen einen Waringham entscheiden, nicht wahr?«, entgegnete Delacour säuerlich. »Die Frage ist allerdings, wie der neue Lord Protector wohl urteilen würde.«
Mit einem Mal dämmerte Julian, warum der Sheriff so feindselig war. Kopfschüttelnd trat er einen halben Schritt zurück und täuschte Ehrerbietung vor. »Die Tatsache, dass Ihr Yorkist seid und die Waringham Lancastrianer sind, sollte hier nicht von Belang sein, Sir Reginald.«
Emily hatte zu schluchzen begonnen. »Atme! Mutter, atme doch …«
Daniel ließ den Sheriff stehen und trat unter den provisorischen Galgen. »Wer ist die Kräuterfrau?«, fragte er Adam leise.
Der junge Mann schüttelte mutlos den Kopf. »Gibt keine mehr, seit Eure Mutter tot ist, Sir. Judith Saddler sollte ihre Nachfolgerin werden, aber sie hat sich eines Nachts davongemacht.«
»Wie so viele«, bemerkte Daniel, kniete sich hinter seiner bewusstlosen Halbschwester ins Gras und richtete sie behutsam auf. Er legte den Arm um sie, wiegte sie sacht vor und zurück und benetzte ihr Stirn und Wangen mit dem kühlen Brunnenwasser.
»Ihr müsst natürlich selbst entscheiden, ob Ihr den neuen Lord Protector mit dem Fall einer verurteilten Küchenmagd behelligen wollt, Sir Reginald«, sagte Lady Juliana, »aber hier und heute wird sie nicht noch einmal aufgehängt.«
Delacour betrachtete sie mit einem süffisanten Lächeln. »Ich denke, je weniger Ihr in dieser Angelegenheit sagt, desto besser für Euch, Madam.«
Julian spürte, wie ihm die Galle überkochen wollte, aber ehe er etwas Unüberlegtes sagen oder tun konnte, gab seine Mutter zurück: »Da der König mir bereits Pardon gewährt hat, rauben Eure Drohungen mir nicht den Schlaf, Sir.«
»Auch hier gilt, dass der Lord Protector gewiss eine etwas andere Haltung einnimmt.«
Sie winkte desinteressiert ab. »Für eine Laus wie Arthur Scrope wird der Duke of York sich nicht mit dem König streiten, seid versichert.«
»Wollt Ihr Euren Kopf darauf verwetten?«
»Jederzeit. Von meinen ungezählten Cousins ist Richard of York der kühlste Rechner. Auf Scrope kann er gut verzichten. Er hat ja so
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