Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
genug, dass ein Mann, der ungesehen von Westminster nach London gelangen möchte, sich darin verbergen könnte, versteht Ihr?«
    »Oh, Megan«, murmelte Julian hingerissen. »Du hörst einfach nie auf, mich zu verblüffen.«
    Vater Christopher lächelte flüchtig und fuhr dann fort: »In diesem Verschlag werdet Ihr im Übrigen etwas wiederfinden, das lange verloren war. Kurioserweise hat König Edward es Lady Megan in seinem Testament hinterlassen mit der Anmerkung, damit zu verfahren, wie es sie gutdünkt.«
    »Was mag das sein?«, fragte Julian verwirrt.
    »Das Schwert Eurer Väter, Mylord.«
     
    Obwohl der neuerliche Aufenthalt seine Meinung über den Tower nicht wesentlich gebessert hatte, musste Lucas Durham doch einräumen, dass seine Gefangenschaft hier von der eher erträglichen Sorte war. Da er weder ein hoher Adliger noch ein berüchtigter Verräter war, interessierte sich niemand für ihn. Derzeit überschlugen die Ereignisse sich ja mit jedem Tag, da hatten die Wachen und königlichen Beamten im Tower Besseres zu tun, als ihn heimzusuchen. Ein Wachsoldat, der ihm ins Essen gespuckt und ihn einen verfluchten lancastrianischen Halunken genannt hatte, war das Schlimmste, was ihm bislang passiert war. Lucas trug es mit Fassung.
    Sie hatten ihn in ein halbwegs komfortables Quartier im Beauchamp Tower gesperrt, von wo aus er einen Blick auf die spärliche Grünanlage des Tower Green hatte und den beiden Prinzen dort Tag für Tag beim Fußballspielen oder Bogenschießen zuschauen konnte. Natürlich war der zwölfjährige Edward seinem neunjährigen Bruder im Wettstreit immer überlegen, aber auch der kleine Richard of York zeigte schon einiges Geschick mit dem Bogen, und gelegentlich ließ sein Bruder ihn großmütig gewinnen. Sie waren ausdauernde, lebhafte Bengel, und wider Willen hatte Lucas sie auf die Distanz ins Herz geschlossen. Seit ein paar Tagen hatte er sie indessen nicht mehr gesehen. Er nahm an, die willkürliche Hinrichtung ihres Onkels und Halbbruders, die abscheulichen Lügen über ihren Vater und eine andere Frau und vor allem die Machtergreifung ihres Onkels Gloucester hatten ihnen die Spiellaune verdorben. Wem war wohl die undankbare Aufgabe zugefallen, den jungen Edward beiseitezunehmen undihm zu erklären, dass er nun doch nicht König von England werden würde?
    Lucas seufzte, stand vom Schemel am Fenster auf und drehte die erste von zahllosen Runden durch sein spärlich möbliertes Gemach. Was kümmert es dich?, hielt er sich vor. Hat nicht ihr verfluchter Vater zugelassen, dass unser Prinz Edouard auf dem Schlachtfeld niedergemetzelt wurde? Hat er nicht befohlen – oder zumindest geduldet –, dass der alte König Henry feige ermordet wurde, hier innerhalb dieser blutgetränkten Mauern? Doch, antwortete er sich selbst, genauso war’s. Aber so ganz konnte er sich das Mitgefühl für die yorkistischen Prinzen trotzdem nicht abgewöhnen, und das beunruhigte ihn und machte ihn rastlos. Also drehte er seine Runden, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und wartete, dass irgendetwas passierte, sein Bruder, sein Vetter Samuel oder Julian endlich etwas unternahmen, um ihn hier herauszuholen. Aber nichts geschah, und allmählich beschlich ihn der beklemmende Verdacht, dass die Welt ihn hinter den dicken Mauern des Tower of London vergessen hatte.
     
    In einer schwülen Julinacht schreckte Lucas aus dem Schlaf, setzte sich ruckartig auf und blickte sich um. Ein Geräusch hatte ihn geweckt, er war sicher. Im Schein der kleinen Öllampe, die er auf dem Tisch hatte brennen lassen, erkannte er schließlich, dass die Tür zu seinem Quartier einen Spalt offen stand.
    Verwundert stellte er die Füße auf den strohbedeckten Steinfußboden, zog die edlen Stiefel an und stand auf. Dann zögerte er. Eine geöffnete Tür konnte des Nachts im Tower unheimlicher sein als eine verriegelte, musste er feststellen. Was mochte auf der anderen Seite warten? Freiheit oder Tod?
    Nun, es gab wohl nur einen Weg, es herauszufinden, entschied er und trat an die Tür. Er kannte das alte Sprichwort wohl, welches besagte, dass die Neugier der Katze Tod war, aber andererseits: Wenn Gloucester … König Richard den Befehl gegeben hatte, Lucas Durham diskret beiseitezuschaffen, dann würde es so oder so passieren, egal, ob er sich hierdrin feige verkroch oder seinem Schicksal mannhaft entgegentrat.
    Niemand lauerte im Vorraum, der kaum mehr als ein Treppenabsatz war. Es herrschte eine so vollkommene Stille, dass man eine

Weitere Kostenlose Bücher