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Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige

Titel: Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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mutterseelenallein, und es war so still, dass er den nahen Bach plätschern hörte. Die Sonne hatte die Wolken endgültig vertrieben und ließ das lange Gras am Ufer leuchten. Es versprach ein heißer Tag zu werden, und zu seiner Linken vernahm Julian das Zirpen einer Grille. Es war ein lächerlich friedlicher Moment, geradezu obszön, wenn man bedachte, was sich hier vor einer Stunde noch abgespielt hatte.
    Seufzend schüttelte Julian den Kopf und folgte dem Gesang der Grille zu einem ausladenden Dornenbusch, der einsam auf der Wiese stand, und wie er gehofft hatte, sah er am Fuß des Busches etwas funkeln. Er kniete sich hin und tastete mit der Hand, doch die scharfen Dornen lehrten ihn schnell, dass das keine gute Idee war. Also zog er sein Schwert und stocherte ungeschickt damit unter dem Dornenbusch herum, bis er das verheißungsvolle Klirren von Metall auf Metall vernahm. Vorsichtig, Zoll um Zoll, brachte er das Schwert wieder zum Vorschein, und tatsächlich zog er die Krone mit ans Licht. Es war nicht die, welche bei der feierlichen Krönungszeremonie in Westminster Abbey verwendet wurde, aber dennoch ein prunkvolles Stück aus schwerem Gold und mit großen, perfekt geschliffenen Edelsteinen besetzt. Nur ein kleines Stück an der Oberkante fehlte.
    »Herrje, Richard, du Hurensohn«, murmelte Julian. »Du hast dir einen Zacken aus der Krone gebrochen …« Und er lachte vor sich hin, ließ seine Waffe los und hielt die Krone mit beiden Händen in die Sonne, um sich am Funkeln von Gold und Juwelen noch einen Moment zu ergötzen.
    »Das ist der Augenblick deines Triumphes, nicht wahr,Waringham?«, sagte plötzlich eine raue Stimme mit einem unüberhörbar walisischen Akzent. »Gibt es einen besseren Moment, um zu sterben?«
    Ehe Julian herumfahren konnte, spürte er eine kalte Stahlklinge an der Kehle. Also beschränkte er sich darauf, die Augen zu bewegen, und mit Mühe erhaschte er einen Blick auf den Mann, der ihn töten wollte. »Rhys …«
    »Ich bin verwundert, dass du dich an meinen Namen erinnerst«, entgegnete Edmund und Jasper Tudors jüngster Bruder.
    »Wie könnte ich einen Feuerkopf wie dich vergessen?«, gab Julian zurück.
    »Ich bin gekommen, um zu tun, was ich geschworen habe, Waringham. Entsinnst du dich auch daran?«
    Julian erinnerte sich nur zu gut. Er hatte fürchterliche Rache an einem Knaben genommen, der einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte. Schon als es passierte, hatte Julian gewusst, dass er Unrecht tat. Er hatte sich geschämt, aber nicht aufgehört. Und jetzt, fast dreißig Jahre später, präsentierte der Knabe von damals ihm die Rechnung.
    »Du hast nicht erwogen, mich zu einem fairen Zweikampf zu fordern, wie es sich für Gentlemen gehört, nein?«, fragte Julian bissig.
    »Ich hätte keine Chance gegen dich. Ich hab das nie richtig gelernt, weißt du. Ich bin kein Gentleman. Du hast verhindert, dass ich je die Gelegenheit bekam, einer zu werden.«
    Julian fand, das ging ein bisschen zu weit. »Und du hast dich immer bequem auf der Überzeugung ausgeruht, dass du niemals deines Glückes Schmied sein könntest, weil die böse Welt sich gegen dich verschworen hat, nicht wahr?«
    Die Klinge zuckte und ritzte Julian die Haut ein. Instinktiv machte er einen langen Hals, und mit einem Mal wurde ihm bewusst, was für einen würdelosen Anblick er bot, hier auf den Knien zu Füßen dieses walisischen Bauernlümmels, der ihn abschlachten wollte.
    Immerhin sterbe ich mit der Krone in der Hand , dachte er und gestand sich zum ersten Mal ein, dass es Augenblickegegeben hatte, da er versucht gewesen war, nach ihr zu greifen. Weil ein lächerliches Tröpfchen Lancaster-Blut in seinen Adern floss. Und im selben Moment erkannte er, dass er Richard of Gloucester auch deswegen so gehasst hatte, weil der getan hatte, was Julian sich insgeheim gewünscht und dann verboten hatte: Er war über Leichen gegangen, um die Krone zu bekommen. In einem finsteren, wirklich sehr finsteren Winkel seines Herzens hatte Julian jeden Schritt verstanden, mit dem Richard sich dem Abgrund näher gebracht hatte.
    Julian biss die Zähne zusammen und knurrte: »Und gedenkst du, noch lange zu zögern? Ich komme zu unerfreulichen Einsichten über mein Leben, während ich warte, dass du den Mut aufbringst, deinen Vorsatz in die Tat umzusetzen, und langsam reicht’s mir …«
    Rhys trat ihm mit ungehemmter Kraft in die Nieren, und Julian landete mit dem Gesicht im Gras. Die Zacken der Krone bohrten sich schmerzhaft

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