Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
und Mortimer gehofft, dass Richmond ihn als Standartenträger auswählen würde, doch der hatte diese Ehre einem seiner neueren Ritter zuteilwerden lassen. Julian fand, es war eine kluge Entscheidung.
»Gentlemen, ich bin so weit«, bekundete Richmond. Er bewegte sich verblüffend mühelos in der schweren Rüstung, bedachte man, dass er seit den Waffenübungen seiner Jugendtage keinen Harnisch mehr getragen hatte.
»Und da kommt dein Pferd.« Owen wies auf den Zelteingang. Draußen wartete Harry mit Richmonds Rappen, der ebenso in Kettenpanzer und Harnisch gerüstet war wie sein Herr und ein stählernes Horn auf der Stirn trug.
Richmond nickte Harry mit einem Lächeln seinen Dank zu, dann wandte er sich an seine Kommandanten. »Alles bereit? Dann lasst uns gehen. Oxfords Späher berichtet, dass unsere Feinde aufmarschieren.«
Sie verließen das Zelt schweigend, saßen auf und ritten einige hundert Yards nach Nordosten, wo Oxford die Truppen formiert hatte. Er hatte die knapp fünftausend Mann am Fuß des Hügels in dreigeteilter Schlachtordnung postiert und vor der Hauptstreitmacht keilförmige Abteilungen von Bogenschützen als Spitzen aufgestellt.
Höflich beugte der Earl of Oxford den Kopf, als Richmond sich ihm mit seinem Gefolge anschloss, wies nach Osten und sagte ohne Vorrede: »Sie werden bald über die Kuppe des Hügels kommen. Der Duke of Norfolk führt Richards Vorhut an. Wenn Ihr erlaubt, werde ich ihm mit der unseren entgegenziehen, Mylord.«
»Einverstanden.«
»Northumberland, dieses wankelmütige Waschweib, bildet Richards rechte Flanke. Um ihn mache ich mir keine Sorgen. Norfolk und Richard selbst sind die gefährlichen Gegner, und sie kommen direkt von vorn.«
Es folgte ein kurzes Schweigen, und dann stellte Julian die alles entscheidende Frage: »Was ist mit Lord Stanley?«
Oxford sah ihm in die Augen, als er scheinbar gelassen antwortete: »Er ist gekommen. Mit beinah fünftausend Mann.«
»Gott steh uns bei«, murmelte Jasper.
»Er liegt genau nördlich von uns. Das heißt, wir müssen unsere linke Flanke verstärken und ebenfalls mit Bogenschützen sichern.«
»Das übernehme ich«, erbot sich Julian, und als er Richmond fragend anschaute, nickte der.
»Und was tun wir, wenn Stanley …«, begann Mortimer, aber Oxford fiel ihm ins Wort.
»Keine Zeit mehr für Fragen, mein Junge.« Er wies nach Osten. »Da kommt Richard.«
Das Wetter, das seit Beginn dieses verfluchten Krieges vor dreißig Jahren bei jeder Schlacht auf Yorks Seite zu kämpfen schien, machte auch heute keine Ausnahme: Als die vorderste Reihe der feindlichen Truppen über die Kuppe des Ambion Hill kam, brach ein Sonnenstrahl durch die graue Wolkendecke, funkelte auf Richards blanker Rüstung und ließ die Edelsteine der Krone, die er über dem Helm trug, in allen Farben des Regenbogens funkeln. Sein Banner mit der Sonne und der weißen Rose von York und dem Eber von Gloucester erstrahlte.
»Seid ohne Furcht, Freunde«, sagte Richmond bedächtig. »Ganz gleich, wie er aussehen mag, er ist dennoch nur ein Mann und so sterblich wie jeder von uns.« Damit klappte er das Visier herunter und ritt in die Schlacht.
Die yorkistische Vorhut unter dem Duke of Norfolk stimmte ein Gejohle an, von dem einem das Blut in den Adern gerinnen konnte, und kam den Hang heruntergerannt. Sie ließ einen Pfeilhagel auf die Lancastrianer niedergehen, den diese sofort erwiderten. Dann brandeten die feindlichen Truppen aufeinander, und das grauenvolle Hauen und Stechen nahm seinen Anfang, Mann gegen Mann. Oxford und seine Vorhut mussten sowohl gegen die Sonne wie auch bergan kämpfen, wurdenlangsam, aber stetig zurückgedrängt und gerieten bald in arge Nöte.
Doch Northumberland, der eigentlich die rechte Flanke der yorkistischen Armee bilden sollte, ließ sich nicht blicken. Er hatte oben auf dem Hügel Stellung bezogen, um, wie er seinem König ausrichten ließ, Lord Stanley im Auge zu behalten, dem ja nicht zu trauen sei. Als König Richard feststellte, dass Stanley tatsächlich zögerte, in die Schlacht einzugreifen, gab er Befehl, den Sohn seines Stewards, den er ja immer noch als Geisel hielt, auf der Stelle zu töten. Ein Mann seiner Leibwache eilte davon, um den Befehl zu befolgen, aber nach zehn Schritten streckte ein lancastrianischer Pfeil ihn nieder.
Mit grimmiger Konzentration kämpfte Julian auf der linken Flanke, formierte seine Männer immer wieder neu für Northumberlands Angriff, der niemals kam, und beobachtete
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