Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
Rücken zugewandt. Er hatte die Hände links und rechts neben dem Fenster an die Mauer gestützt, stand leicht vorgebeugt und regte sich nicht. Blanche verspürte ein eigentümliches Bedürfnis, zu ihm zu gehen und ihn zu berühren. Sie fand es ein bisschen befremdlich, um nicht zu sagen schäbig, dass ihr Mitgefühl nicht in erster Linie Megan galt, die ihre Cousine, ihre Freundin und nun plötzlich eine blutjunge, schwangere Witwe war. Aber Megan, wusste sie, hatte keine echte Verwendung für irdischen Trost. Sie machte immer alles allein mit Gott aus, ganz gleich, was für grausame Spiele Fortuna mit ihr trieb. Jasper Tudors Einsamkeit hingegen war weder selbst erwählt noch etwas Heiliges. Sie war ihm irgendwann aufgebürdet worden, so kam es ihr vor, wie eine unbequeme, schwere Rüstung, aber inzwischen hatte er sich so daran gewöhnt, dass er sie gar nicht mehr spürte.
Er wandte sich um. Seine Augen waren gerötet, aber trocken. »Was ist passiert? Ist er gefallen?«
»Vielleicht sag ich dir das besser unter vier Augen«, schlug Julian vor.
»Nein«, entgegnete Megan, ohne aufzusehen. »Ich will es hören. Steckt York dahinter? Wer hat ihn umgebracht?«
»Der Schwarze Tod, Megan«, antwortete Julian. Seltsamerweise war es Rhys, den er ansah, während er das sagte. Mit einem heiseren Laut, wie ihn nur Knaben im Stimmbruch hervorbringen können, sprang der Junge aus dem Stroh auf und rannte hinaus.
Julian wandte sich wieder an Jasper. »Nach dem Fall von Carmarthen Mitte August haben Devereux und Herbert uns dort festgehalten …«
»Diese verfluchten Bastarde haben geleugnet, dass Edmund dort ist!«, unterbrach Jasper, und etwas in seinen Augen brachte Blanche auf den Gedanken, dass sie mit keinem der beiden Marcher Lords tauschen wollte, wenn sie Jasper Tudor in die Hände fielen.
»Jasper«, bat Megan leise.
Er stieß die Luft aus und hob kurz die Linke. »Entschuldige.« Sie wussten alle, dass Fluchen Megan zu schaffen machte, und sie alle vermieden es in ihrer Gegenwart für gewöhnlich, sogar Blanche.
»Edmund hatte eine Kopfverletzung. Vielleicht hat ihn das geschwächt und zur leichten Beute gemacht, ich weiß es nicht.« So knapp wie möglich erzählte Julian, wie es gewesen war. Nur die Güte und Freundlichkeit der Franziskaner beschrieb er mit einiger Ausführlichkeit, um Megan Trost zu spenden. »Er starb an Allerheiligen und wurde am selben Tag dort begraben.«
»Aber … aber warum hast du ihn nicht mitgebracht?«, fragte die Witwe.
Julian schüttelte den Kopf. »Es ging nicht.«
»Wieso nicht?«
Und weil keiner der Männer antwortete, erklärte Blanche: »Pestopfer müssen immer so schnell wie möglich beerdigt werden, Megan. Selbst aus ihren Särgen können die giftigen Dämpfe dringen, die die Krankheit verbreiten.«
»Oh. Verstehe.« Sie sah ihren Schwager an. »Ich will dorthin, Jasper. Und es besteht keine Veranlassung, mich darauf hinzuweisen, dass ich hochschwanger bin, denn das weiß ich selbst.«
Jasper nickte. »Morgen früh.« Er bedeutete Julian mit einer Geste, in einem der Sessel am Tisch Platz zu nehmen, und schenkte ihm einen Becher lauwarmen Würzwein ein. »Allerheiligen war vor vier Tagen«, bemerkte er. Kein Vorwurf war seiner Stimme anzuhören.
Julian trank einen tiefen Zug, ehe er antwortete: »Die Fratres haben mich überredet, dort zu warten, bis ich sicher sein konnte, dass ich mich nicht angesteckt habe. Damit ich euch nicht zu der schlechten Nachricht auch noch den Schwarzen Tod bringe.«
Megan stand auf. Sie hatte Mühe, sich aus dem Sessel hochzustemmen. »Entschuldigt mich.«
Julian schaute schuldbewusst zu ihr hinüber, als fürchte er, er habe etwas Falsches gesagt.
Blanche trat zu ihr. »Ich begleite dich.«
»Nein.« Megan schüttelte den Kopf, hob mit der Linken leicht ihren Rock an und schritt zur Tür. »Danke, Blanche. Aber ich muss ein Weilchen allein sein.«
»Natürlich. Wie du willst.«
Ohne ein weiteres Wort ging Megan hinaus.
Bei scheußlichem Wetter waren Jasper und die junge Witwe aufgebrochen. Es war kalt, und der Wind, der von der See kam, brachte Graupel. Doch hatte Edmund für die Reise seiner jungen Frau von England nach Wales letztes Jahr eins dieser neumodischen Gefährte angeschafft, Kutschen genannt, die gefederte Aufhängungen und wetterdichte Planen hatten, sodass Megan die unangenehmsten Begleiterscheinungen des Reisens erspart blieben. Ein hübsches Fuchsgespann zog die Kutsche, und Lionel, einer von Jaspers
Weitere Kostenlose Bücher