Das Spiel der Könige - Gablé, R: Spiel der Könige
englischen Rittern, saß auf dem Bock. Jasper selbst hatte angemerkt, dass er lebend keinen Fuß in etwas so Lächerliches wie eine Kutsche zu setzen gedenke, und folgte dem Wagen auf seinem kostbaren Waringham-Ross.
Julian stand im Schutz des äußeren Torhauses – das es an Größe und Wehrhaftigkeit mühelos mit dem Bergfried von Waringham aufgenommen hätte – und schaute ihnen nach, bis sie hinter dem nächsten Hügel verschwunden waren. Dann schlang er den Mantel fester um sich, den der Wind ihm von den Schultern reißen wollte, und stapfte durch den schlammigen Hof zurück zu dem dicken, ehernen Turm, den Jasper und der innere Kreis seines beträchtlichen Haushalts bewohnten. EineAußentreppe führte zum Hauptgeschoss hinauf. Julian betrat die menschenleere Halle, und seine Schritte beschleunigten sich, als er sie durchquerte. Seine Wut und Verbitterung waren so mächtig, dass er das Gefühl hatte, er werde in tausend Stücke zerspringen, wenn er ihnen nicht auf der Stelle Luft machte.
Eine Wendeltreppe am entlegenen Ende der Halle führte hinauf zu den Wohngemächern und hinunter in die Küche. Julian lief abwärts und stieß krachend die Tür auf. Dampf, Rauch und der Duft nach gerösteten Zwiebeln erfüllten die geräumige Küche. Die Köchin, zwei Mägde und ein Küchenjunge waren emsig bei der Arbeit, und eine fünfte Person schlüpfte in die angrenzende Vorratskammer, als Julian hereinstürmte. Er folgte und bekam Rhys ap Owain am linken Ohr zu fassen. »Hast du im Ernst geglaubt, dass ich dich hier unten nicht finde?«
Er bekam keine Antwort. Rhys ließ sich scheinbar zahm zurück in die Küche zerren, doch noch ehe sie die Tür erreicht hatten, trat er Julian vors Schienbein und riss sich los. Um ein Haar wäre er entkommen, aber Julian erwischte ihn gerade noch am Kragen, packte ihn am roten Lockenschopf und rammte seinen Kopf gegen die massive Eichentür. »Nur weiter so, Bübchen«, knurrte er. Sein Schienbein schmerzte höllisch, und er fühlte Blut daran hinablaufen. »Du wirst ja sehen, was du davon hast.«
Die Köchin, eine hübsche Frau um die dreißig mit einem blütenweißen Kopftuch, stellte sich ihm in den Weg, fuchtelte ihm mit einem Holzlöffel vor der Nase herum und sagte etwas, das nicht so klang, als wünsche sie ihm Gottes Segen und ein langes Leben.
Julian winkte ab. »Ich verstehe kein Wort, Frau.«
»Sie sagt, Ihr habt kein Recht, den Bruder seiner Lordschaft so zu behandeln«, übersetzte Rhys hilfsbereit.
»Ah ja? Vielleicht willst du ihr erklären, was es mit unserer kleinen Rechnung auf sich hat? Nein? Dann lass uns gehen.«
Er nickte der Köchin knapp zu, zog die Tür auf und schob den Jungen vor sich her. Der Oberarm, den er umklammert hielt, war hart von Muskeln.
In der Halle oben war es kalt, der mannshohe Kamin leer. Heulend zog der Wind durch die bleiverglasten Fenster, und von unten hörte man das Brüllen der See. Julian konnte sich keinen weniger einladenden Ort vorstellen. »Ich schätze, hier sind wir ungestört.«
»Ich bin verwundert, dass Ihr es nicht unten im Hof tut, wo es garantiert jeder sieht«, gab Rhys verächtlich zurück. Sein Englisch war sehr viel besser geworden, erkannte Julian. Zweifellos Megans Verdienst.
»Was genau meinst du denn, das ich vorhabe? Du glaubst nicht im Ernst, dass du mit einer Tracht Prügel davonkommst, oder?«
Zum ersten Mal verriet Rhys’ Miene Angst, und auf einmal sah er sehr viel jünger aus. »Hat er mich verflucht, ehe er gestorben ist?«
Julian schüttelte den Kopf, zerrte den Jungen ans Fenster und öffnete mit der freien Hand beide Flügel weit. »Nein. Im Gegenteil. Er hat mir den Schwur abgenommen, dass ich keiner Menschenseele erzähle, was du getan hast. Das heißt, ich bin der Einzige, der dich für deinen widerwärtigen Verrat zur Rechenschaft ziehen kann, und bei Gott, das werd ich jetzt tun.« Er wies mit einer einladenden Geste aus dem Fenster. »Du kannst freiwillig springen, wenn du willst. Wenn nicht, bin ich dir behilflich.«
Rhys versuchte zurückzuweichen, das blanke Entsetzen in den Augen. »Aber … das könnt Ihr nicht …«
»Nein? Und warum nicht?« Er zerrte ihn näher ans Fenster, dessen Sims Julian bis an den Oberschenkel und Rhys etwa bis zur Hüfte reichte. Die Fenster der Halle blickten aufs Meer hinaus. Der Turm stand am Rand der Klippe. Julian riskierte einen Blick nach unten und sah in der Tiefe schwarze, kantige Felsen und die schäumende See. Kein schöner Anblick. »Was du
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