Das Spiel der Nachtigall
verholfen hatte und selbst leer ausgehen würde, und gluckste zufrieden. Dann jedoch fiel ihm etwas ein, was ihn erneut zweifeln ließ.
»Wenn der Erzbischof hört, dass ich mich mit dem Herzog von Schwaben zusammengetan habe«, sagte er, »dann zieht er sein Angebot umgehend zurück, und Philipp hat keinen Grund mehr, mir auch nur eine Silbermark zu geben. Man kann über Adolf von Altena denken, was man will, aber dumm ist er nicht, und Spione hat er auch überall. Es würde mich nicht wundern, wenn mein Hofkaplan ihm mehr dient als mir. Außerdem kennt er meine Getreuen. Wenn einer von ihnen im Winter beim Staufer auftaucht, dann kann es dafür nur einen Grund geben.«
Walther von der Vogelweide lächelte ihn an. »Ich bin keiner Eurer Getreuen«, sagte er. »Und niemand wundert sich, wenn ein Sänger am Hof des Herzogs von Schwaben erscheint.«
»Das … das lässt sich nicht leugnen.«
»Aber ich bin ein armer fahrender Ritter. Wenn ich an meine Kleidung denke – abgewetzt und kaum mehr eines herzoglichen Hofs würdig, geschweige denn eines königlichen. Ein Knappe wäre mir auch eine Hilfe, schon, um meine Instrumente zu tragen und um sich um mein Pferd zu kümmern.«
»Herr Walther«, sagte Berthold, »ich war von jeher ein Freund der Künste. Es wird mir eine Freude sein, Euch für den Weg nach Hagenau völlig neu auszustatten.«
* * *
Wie sich herausstellte, hielt sich König Richard in Chinon auf, was bedeutete, dass sie nur bis zur Loire reisen mussten, nicht in den Süden nach Aquitanien. Gilles erwies sich als angenehmer Reisegefährte, der immer auch wusste, wie man in fremden Städten die anständigen Badehäuser fand, ohne bei den Badern den gelbgekleideten oder ganz nackten Huren zu begegnen. Er besorgte auch frische Pferde und erzählte von seinem Leben, als er merkte, dass Judith Fragen nach ihrer Vergangenheit unangenehm waren. Er stammte aus Aquitanien, war ursprünglich als Teil von König Richards Kreuzzug nach Italien gekommen, als Knappe eines englischen Ritters, dort unerwartet krank und zurückgelassen worden, während sein Herr mit dem Heer weiter ins Heilige Land zog. »Ich hatte Glück im Unglück«, sagte er und klang noch nicht einmal verbittert. »Keiner hat gedacht, dass ich überleben würde, doch ich hab’s getan; danach hat mir die Seuche nichts mehr anhaben können. Meinem Herrn nachreisen wollte ich nicht, außerdem hatte ich kein Geld für die Überfahrt. Daheim wartete auch keiner auf mich, also habe ich mich an den Ersten verdingt, der einen Kriegsmann brauchte, der gut mit Waffen umgehen kann. Und so bin ich bei Herrn Gerhard und Herrn Stefan gelandet.«
Wenn er wusste, dass Stefan und sie Juden waren, so ließ er es durch nichts erkennen, außer bei einer einzigen Unterredung vielleicht. Wie sich herausstellte, kannte er Salerno, denn dort war er gesund gepflegt worden. Er fragte nicht danach, wann Judith dort gelebt, noch, warum sie die Stadt verlassen hatte. Stattdessen fragte er sie, wie es zur Gründung der Schule von Salerno gekommen sei. Während sie die Loire entlangritten, erzählte sie die Geschichte, die sie von ihrem Vater kannte. »Ein griechischer Pilger namens Pontos suchte während eines Sturms Unterschlupf unter den Bögen des Aquädukts. Ein zweiter Mann, Salernus, ein Lateiner, rastete an der gleichen Stelle. Salernus war verletzt und behandelte seine Wunde, wobei er und seine Medikamente genau von Pontos beobachtet wurden. In der Zwischenzeit waren zwei weitere Reisende, der Jude Helinus und der Araber Abdela, hinzugekommen. Sie kümmerten sich bald gemeinsam um die Wunde. Schließlich kamen die vier überein, eine Schule zu gründen, in der ihre Kenntnisse gesammelt und verbreitet werden sollten, und deswegen sind auch die Anhänger aller drei Religionen dort willkommen.«
»Helinus klingt nicht wie ein jüdischer Name«, sagte Gilles, und es klang wie eine Frage.
»Es ist wohl die griechische oder lateinische Form«, entgegnete sie, »so, wie aus Jochanaan Johannes wurde.«
»Dann beherrscht Ihr auch die hebräische Sprache?«, fragte er. »Das ist eine Kunst, die ich nicht ausüben würde, solange wir noch auf französischem Boden sind, Frau Jutta. Gerade heute nicht, wenn wir in Blois übernachten.«
»Was in Blois geschehen ist, liegt bald dreißig Jahre zurück«, sagte Stefan, der nicht oft erkennen ließ, dass er ihr und Gilles zuhörte.
»Aber vergessen hat es niemand dort«, entgegnete Gilles.
Obwohl ihr das Gefühl sagte, dass
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