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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Euren Armen gestorben ist?«
    Welcher Vater denkt denn in so einem Moment an Stiefel?, dachte Walther empört.
    »Ich fand ihn, wie ich ihn Euch bringe«, sagte er würdevoll. »Als ich den Ort erreichte, waren bereits ein paar Diebe dort, doch sie rannten fort, als sie meines Knappen und meiner angesichts wurden. Seht, Eurem Sohn ist wenigstens der Anhänger der heiligen Ursula geblieben, und so war die Schutzpatronin Eurer Stadt bei ihm.«
    »Das habe ich doch dir geschenkt«, schnauzte der Bierbrauer seine Gemahlin an, die wieder mitten im Schluchzen aufhörte.
    »Ich dachte, als Glücksbringer«, begann sie.
    Walther hielt es für angeraten, das Weite zu suchen. Falls der verstorbene Gerhard ein zu inniges Verhältnis mit seiner jungen Stiefmutter gehabt haben sollte, war das nichts, was er wissen wollte. Im Übrigen hatten Menschen die unliebsame Angewohnheit, schlechte Nachrichten häufig am Boten zu rächen.
    »Ich bin nicht der Mann, der anderen sagt, er habe es gleich gewusst«, bemerkte Markwart, während sie die Pferde durch die Gassen führten, weil man innerhalb Kölns kaum reiten konnte, ohne jemanden in Gefahr zu bringen.
    »Du? Niemals.«
    »… aber ich habe gleich gewusst, dass es zu nichts Gutem führen kann, wenn man Eltern Lügen über den Tod ihres Kindes erzählt.«
    »So, wie ich es sehe«, sagte Walther, »hat es uns in die Stadt gebracht, noch dazu ohne einen Wächter an unserer Seite.«
    Markwart schüttelte unwirsch den Kopf und begann dann, sich mit großen Augen umzuschauen. Auch Walther musste einmal mehr zugestehen, dass Köln außergewöhnlich war. Das fing schon mit dem gigantischen Bollwerk von Mauer an, die bestimmt mehr als zwölf große Tore besaß, und den Straßen, die vom Rhein aus immer weiter nach Westen führten, ohne dass ein Ende erkennbar war. Die Häuser waren nicht nur einstöckig, sondern besaßen gerade um das Rathaus herum meistens zwei und sogar drei Stockwerke, was es bei Feuer bestimmt schwierig machte, sie zu löschen. Dafür befanden sich an den Straßen immer wieder Senken, die mit Löschwasser gefüllt waren. Außerdem gab es viele Plätze, nicht nur vor dem Rathaus. Auch der Dom war gewaltig lang mit Querhäusern an beiden Enden. Nur die Türme waren zu kurz und passten irgendwie nicht zu dem riesigen Bauwerk.
    »Versprich mir nur, dass wir nicht als Nächstes bei einem Vater einkehren, dessen Tochter du geschwängert hast.«
    »Wir kehren nicht als Nächstes bei einem Vater ein, dessen Tochter ich geschwängert habe.«
    Markwart wirkte nicht beruhigter.
    Nach einigem Überlegen fand Walther den Weg zu Stefans Haus und stellte fest, dass die Wächter vor dem Eingangstor neu waren. Er hatte eine lange Rede über Meister Stefans Gastfreundschaft vorbereitet, doch ehe er dazu kam, trat ein Junge vor das Tor, schaute zu Walther und rief laut: »Ihr!«
    »Walther«, stöhnte Markwart.
    »Ihr seid doch der Sänger«, sagte der Junge. Es dämmerte Walther, dass es der Sohn des Hauses sein musste, der im letzten Jahr noch einmal ordentlich gewachsen war.
    »Das bin ich, und inzwischen ein paar Drachen mehr begegnet.«
    »Herr Walther«, sagte der Junge gekränkt, »ich bin kein Kind mehr. Ich weiß, dass es keine Drachen gibt.« Dann grinste er. »Aber Löwen. Der König hat einen aus Aquitanien mitgebracht und dem Erzbischof geschenkt. Wir durften ihn alle beim letzten Umzug bewundern. Ich wette, Löwen habt Ihr noch nicht gesehen.«
    Am Wiener Hof gab es zwei, die der alte Herzog aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte, obwohl sie von dort auch nicht herkommen sollten. Doch hier galt es, eine Gelegenheit zu nutzen. »Nein«, sagte er. »Aber der römischen Wölfin bin ich begegnet, und noch ein paar anderen Ungeheuern. Wollt Ihr darüber hören?«
    »Das und noch vieles mehr.« Der Junge trat einen Schritt näher. »Ich dachte, Ihr wüsstet vielleicht, was aus meiner Base Jutta geworden ist«, sagte er mit gesenkter Stimme.
    Walther erstarrte. Er öffnete den Mund, um zu fragen, ob sie denn nicht hier sei, und schluckte die lächerliche Frage gerade noch rechtzeitig hinunter. Er konnte es sich nicht leisten, noch mehr Fehler zu machen.
    »Ich sehe, wir haben einander eine Menge zu erzählen«, sagte er und zwang ein entwaffnendes Lächeln auf seine Lippen. »Darf ich noch einmal die Gastfreundschaft Eures Hauses für mich und meinen Knappen erhoffen?« Vom Sohn des Hauses eingeladen zu werden, ersparte langwierige Erklärungen und Bestechungsgelder bei Hauswachen,

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