Das Spiel der Nachtigall
Walther gesagt hatte.
»Philipp kann Euch keine englischen Zollprivilegien anbieten«, sagte Walther, »aber dafür Frieden im Land. Wenn Otto Köln verliert, dann ist dieser Krieg zu Ende, und das muss doch auch Eurem Handel zugutekommen.«
»Mit anderen Worten, Ihr bietet mir gar nichts für viel an, was wir haben. Das muss sich wirklich Philipp ausgedacht haben. Nur ein schwäbischer Fürst hält so etwas für einen gerechten Handel.«
Zumindest schien Stefan noch nichts von der Entscheidung des Papstes für Otto gehört zu haben, was ein Vorteil war, der aber leider nicht mehr sehr lange halten mochte.
»Nein, was Euch angeboten wird, ist mehr statt weniger. Und weniger ist das, was Ihr bekommt, wenn Köln beim Welfen bleibt: Keine Vorzüge im Handel mit den englischen Territorien mehr, ganz gleich, ob Ihr welfisch oder staufisch schwenkt, aber mehr und mehr Bewaffnete benötigt, um Handelszüge in unseren Landen überhaupt noch durchzubringen. Wie viele Dörfer und Festen stehen im Erzstift eigentlich noch so, wie sie einst waren? Ich bin auf dem Weg hierher jedenfalls nicht mehr an vielen stattlich aussehenden Burgen und Orten vorbeigekommen.«
Die Abendluft war feucht, vielleicht des Rheines wegen. Walther konnte fast spüren, wie sich die kleinen Tröpfchen, die in der Luft hingen, in seine Kleider saugten, und sie im blassen Schein der untergehenden Herbstsonne auch auf Stefans Gesicht erkennen.
»Köln ist das Juwel in Ottos Krone«, begann Stefan.
»Die nicht die echte ist«, unterbrach ihn Walther.
»Weil Philipp die Insignien des Reiches nicht herausrücken will, obwohl sie ihm nicht zustehen«, parierte Stefan. »Otto hat uns bereits zur bevorzugten Stadt des Reiches erklärt, was nur Vorteile bringt. Wenn wir auf Philipps Seite übergingen, dann wären wir nur eine staufische Stadt mehr, und ich bezweifle, dass er die Toten wieder zum Leben erwecken kann. Um ganz offen zu sein, Herr Walther, wenn Philipp uns nicht dringend brauchen würde, dann hätte er Euch gar nicht geschickt. Warum sollten also wir Philipp brauchen?«
»Wie steht es denn um Euren Handel mit Frankreich?«, fragte Walther. Er hatte gehofft, sich dieses Argument noch etwas aufsparen zu können, bis er mehr als einen der großen Kaufleute von Köln vor sich hatte.
»Da die meisten und größten Fürstentümer Frankreichs dem König von England gehören, steht es mit unserem Handel ausgesprochen gut.«
»Hmm … das ist auch so eine Geschichte, bei der mich mein Gedächtnis trügen mag, aber ich habe noch nie gehört, dass John ein guter Feldherr sein soll. Deswegen ist er ja auch seinem toten Bruder stets unterlegen, nicht wahr? Und der französische König mag die englischen Herrscher allesamt nicht leiden. Wie lange, glaubt Ihr, kann der neue englische König sich gegen den Franzosen halten, nachdem der die volle Unterstützung der Staufer hat?«
»Länger als Ihr, wenn ich Euch den Leuten des Erzbischofs als Philipps Mann übergebe«, sagte Stefan. »Wenn Ihr dann nur geteert und gefedert werdet, um die Angelegenheit mit der Nonne wettzumachen, dann habt Ihr Glück. Gestern erst haben mehrere Familien in dieser Stadt Söhne verloren. Ich glaube, wenn man ihnen einen von Philipps Leuten anböte …« Er breitete die Arme aus und drehte die Handflächen nach oben. Walther dachte daran, wie schnell in Wien eine Menge zu Mördern geworden war. Ja, er kannte die Menschen inzwischen.
Und deswegen würde er dieses Spiel auch gewinnen.
»Ich erzähle Euch jetzt nicht, was man über Ottos Leute bei der Eroberung von Aachen erzählt. Was ich von Euch wissen will, ist, womit Ihr Eure Nichte aus der Stadt getrieben habt?«, fragte er abrupt und blieb stehen.
»Was?«, gab Stefan, vom jähen Wechsel überrascht, zurück.
»Euer Sohn«, sagte Walther und musste die Schärfe in seiner Stimme nicht heucheln, »hat mir erzählt, dass Graf Otto so gütig war, die Hochzeit Eurer Nichte zu stiften. Wisst Ihr, ich kann mich an Graf Otto aus seiner Zeit als Geisel in Wien noch gut erinnern. Da ist er Eurer Nichte schon einmal begegnet, und damals war er alles andere als freundlich zu ihr, aber was die Sache vollends merkwürdig macht, ist, dass Euer Welfe jetzt in Köln weilt, aber Eure Nichte und ihr Gemahl nicht mehr, und dass in Eurem Haushalt kein Mensch weiß, wo sie ist, obwohl Ihr Judiths nächster Verwandter seid.«
Wie Wetterleuchten konnte er Ärger und Sorge über Stefans Gesicht huschen sehen; das machte aus dem nagenden
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