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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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aufzugeben. Wenn ich darauf keine Antwort weiß …«
    Er ließ seinen Satz unvollendet ausklingen. Stefans Tränen waren getrocknet, und er musterte Walther mit Augen, denen keine Schwäche anzumerken war.
    »Erzählt mir nicht, dass Ihr nicht mittlerweile auch die Männer in Philipps Umgebung gut genug kennt, um sie zum Sprechen zu bringen.«
    Walther plante bereits, Irene nach Judith zu fragen, doch das ging Stefan nichts an. »Einige von ihnen«, gab er zurück, »kenne ich gut genug, um zu wissen, dass sie einer volleren Börse nicht abgeneigt wären. Mit leerem Magen dagegen werden sie gewiss schweigsam bleiben.«
    »Herr Walther von der Vogelweide«, sagte Constantin langsam, »habt Ihr tatsächlich das Herz, einem Mann, der sich um seine Nichte sorgt, auch noch Geld abzuknüpfen dafür, dass Ihr seine Seele beruhigt seht?«
    Jetzt kam es darauf an, dass er sich in seiner Einschätzung der Kölner Kaufleute nicht irrte.
    »Ja«, sagte Walther, nicht mehr, nicht weniger. In Gedanken begann er zu zählen, während das Schweigen zwischen ihnen das Rumoren in den übrigen Räumen von Constantins Haus hörbar machte. Auf seinem Teller lag ein nur halb aufgezehrter Stockfisch. Walther hatte keinen Hunger, doch er begann, Teile vom Fisch und dem Brot hinunterzuwürgen. Alles in ihm war gespannt.
    Als Walthers schweigendes Zählen bei neun angekommen war, verzog sich Constantins Gesicht zu einem Lächeln.
    »Bei Gott, Ihr seid der Richtige. Ihr sollt Silber für Euch und für weitere Singvögel haben, wenn die ihre Fähigkeiten beweisen.«
    Stefans Gesicht blieb ernst. »Wir wollen die Namen, wenn Ihr Erfolg habt«, sagte er. »Von jedem einzelnen Höfling. Wir sind keine Edelleute, Herr Walther. Wir können rechnen. Wir wollen über Ausgaben und Erfolge Bescheid wissen, erst recht, wenn da mehr Ausgaben sein sollten als Erträge.«
    Das war es also, was Stefan wirklich wissen wollte: Wer in Philipps Umfeld bereit war, Geheimnisse auszuplaudern, und mit wem die Kölner Kaufleute ins Geschäft kommen konnten. Walther brauchten sie eigentlich nur als unauffälligen Zwischenträger. Aus Kölner Sicht war das überaus vernünftig, das konnte Walther sogar verstehen: Ihre Stadt und die Umgebung hatten durch die Staufer stark gelitten. Wenn sie sichere Gewährsleute an Philipps Hof finden konnten, dann würde Otto von so etwas wie der Belagerung von Straßburg nicht mehr überrascht werden, es würde ihm vielleicht sogar irgendwann – zusammen mit der Unterstützung des Papstes – zum Durchbruch verhelfen und damit Köln zum stabilen Mittelpunkt als reichste und mächtigste Stadt im Reich machen. Es gab nichts, was Philipp bieten konnte, das sich damit vergleichen ließ.
    Doch so einsichtlich das alles war, so gab es doch etwas, das Walther gleichzeitig frösteln ließ und zornig machte. Irgendetwas musste wirklich mit Judith geschehen sein. Vielleicht sagte sich Stefan, dass er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: entdecken, was mit seiner Nichte geschehen war, und dazu ein paar nützliche Quellen an Philipps Hof finden. Vielleicht war er sogar rachsüchtig, denn wenn sie die Herzogin von Brabant und ihre Tochter beeinflussen konnte, dann hatte sie die Dinge für Stefan und seine Freunde sehr viel schwieriger gemacht. Doch ganz gleich, was in seinem Herzen vorging, er zögerte gerade nicht, seine Nichte zu benutzen, um einen seiner Pläne umzusetzen.
    »Braucht Ihr die Namen in Blut?«, erkundigte Walther sich höflich. »Oder tut es einfaches Wachs?«
    »Ein Siegel«, entgegnete Stefan, noch immer ohne zu lächeln. »Siegel auf Pergament. Jeder der Herren bei Hofe sollte einen Siegelring haben, und Ihr …«
    Walther hatte inzwischen angefangen, das Pergament, das er ergattert hatte, zu benutzen, und nicht die geringste Absicht, seine Lieder zugunsten einiger adeliger Wappen in Siegellack abzuschaben. »Dann denkt daran, mir auch genügend Geld für Pergament zu geben«, sagte er ungerührt.
    »Wir sind uns also einig?«, fragte Constantin.
    »Das sind wir.« Ein paar Namen waren kein Problem, er hatte ja bei seinem eigenen genügend Phantasie gezeigt, und gern gelesene Nachrichten zu schreiben wäre auch nicht schwer. Einfache Siegel konnte man schnell aus Holz schnitzen, und die meisten Wappen hatten ohnehin nur Adler, Löwen, Helme oder Tauben, die man kaum noch unterscheiden konnte. Je nachdem, was er über Judith herausfand, würde er bestimmt sogar die Gelegenheit nutzen, um den Kölnern und damit Otto

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