Das Spiel der Nachtigall
Gefühl geben, etwas Schönes und Seltenes verschwenden zu können. Walther schauderte.
Die adligen Domherren waren alle mit Bäuchen gesegnet, die für zwei Menschen reichen würden. Die ersten Becher Wein hatten ihnen bereits eine gesunde Gesichtsfarbe beschert. Ihrem Gerede konnte Walther entnehmen, dass sich Adolf zwar noch in seiner Rolle als Königmacher sonnte, doch Otto nicht vergessen zu haben schien, dass der Erzbischof die Krone zuerst Berthold von Zähringen angeboten hatte. Daher war niemand aus Ottos Gefolge anwesend, und es herrschte auch kein reger Austausch zwischen Ottos jeweiliger Residenz und Adolf. »Immerhin hat Otto den Kirchenschatz wieder von Trier nach Köln bringen lassen und einen neuen Schrein für die Gebeine der Heiligen Drei Könige versprochen«, hörte Walther einen Domherrn in schwarzer Soutane erzählen, neben dem er weiter unten an der Tafel plaziert worden war. »Die Schulden bei den Kaufleuten haben trotzdem eher zu- als abgenommen«, tuschelte ein anderer zurück, bevor er sich in normaler Lautstärke seinem Lieblingsthema zuwandte. Walther bezweifelte, dass diese Gespräche über neue Ämter für einen Neffen oder Pfarrstellen für einen Vetter in der Nähe des Bischofs unterblieben wären; derartiges Ämtergeschachere schien hier so alltäglich wie Mehl mahlen für einen Müller, zumal immer auch erörtert wurde, dass man zusätzlich zu dem Amt natürlich genügend Hilfskräfte für die eigentliche Arbeit brauchte.
Als sie sich darüber entrüsteten, dass die Preise für eine Entbindung vom Zölibat ständig stiegen und darin zukünftig auch nicht mehr die fällige Buße und die Beichte eingeschlossen sein sollten, war er noch belustigt. Doch das Lächeln verging ihm, als auch darüber gesprochen wurde, wie man sich den Grundbesitz der freien Bauern des Dorfes, wo am Tag vorher das Scharmützel stattgefunden hatte, aneignen könne. Es ginge immerhin um Höfe im Wert von zehn bis zwanzig Silbermark. Einer empfahl, einen der Stadtjuden hinauszuschicken, der Geld für einen Wiederaufbau anbieten konnte, um dann – anders als anständige Christen – ehrlos und betrügerisch Zins zu fordern. Dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis man die Gehöfte billig übernehmen könnte, weil die Zinslast den Bauern erdrücken würde; zudem war der Zehnte aus den geforderten Zinsen der Juden für die Kirche in jedem Fall gewonnen. Ein anderer hielt nichts von Zeitverschwendung und wollte einen seiner geschicktesten Vikare schicken, um die Menschen dazu zu bringen, für ihre Schwerverwundeten Gelübde abzulegen, also ihren Grundbesitz der Kirche zu überschreiben, sollte der Mann genesen. Dies würde bei der Angst der Eltern um ihre Söhne bei jedem Zweiten klappen, ohne dass dann mehr als einige Gebete dafür gesprochen werden mussten. Walther bekreuzigte sich, was er außerhalb von Kirchen selten tat.
Sie sprachen aber auch ungeniert darüber, dass man ihrer Ansicht nach mit dem Zähringer besser gefahren wäre.
»Oder mit Hans von Brabant!«, sagte ein Domherr sehnsüchtig. »Ein Streiter im Heiligen Land und ein reicher Mann. Wenn er nur da gewesen wäre, dann hätte man ihn wählen können. Ich schwöre Euch, dann wären alle Bischöfe geschlossen auf unserer Seite geblieben, statt sich vom Staufer abspenstig machen zu lassen.«
»Nun, wird nicht Otto seine Tochter heiraten?«, fragte Walther. »Das sollte doch dann eigentlich auf das Gleiche herauskommen.«
Der Domherr runzelte die Stirn, als habe er bereits vergessen, um wen es sich bei Walther handelte, antwortete jedoch bereitwillig: »Wer’s glaubt. Das Mädchen hätte eigentlich Otto übergeben und bei einem seiner Lehnsleute leben sollen, bis es mit zwölf Jahren alt genug zum Vollzug der Ehe ist, aber stattdessen … also, ich meine, dass der Brabanter nicht glaubt, dass Otto gewinnen kann, deswegen hat er auf einmal seine Tochter bei sich behalten, bis die Verhältnisse klar sind.«
»Wenn Otto verliert, dann gnade uns Gott, uns und dem Erzbischof«, sagte ein anderer Domherr beunruhigt. »Es sähe Philipp ähnlich, unsere Pfründe diesem Kerl aus Bamberg zuzuschanzen. Oder dem Würzburger. Glaubt Ihr, ein Staufer schert sich darum, dass heutzutage in den Bistümern dergleichen nur dem Papst zusteht?«
»Ein Staufer vielleicht nicht, aber der Papst«, sagte sein Gegenüber aufgeräumt. »Freunde, wir haben nun einen neuen, starken Papst, einen, der nie zulassen wird, dass die Kirche von irgendwelchen weltlichen
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