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Das Spiel der Nachtigall

Das Spiel der Nachtigall

Titel: Das Spiel der Nachtigall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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Unbehagen, das ihn erfüllte, seit Paul ihn nach Judith gefragt hatte, Furcht. Er hatte eigentlich erwartet, dass Stefan schnell eine gute Erklärung parat hatte, und die Sache hauptsächlich angesprochen, um den Mann aus seiner überlegenen Selbstsicherheit zu holen. Stattdessen ließ der Kaufmann Moment nach Moment verstreichen, ohne Walther zu fragen, was ihn eigentlich seine Nichte anging.
    »Himmelherrgott«, sagte Walther, nun aufrichtig bestürzt. »Was habt Ihr Eurer Nichte angetan?«
    Inzwischen hatte Stefan sich wieder gesammelt. »Ihr vergesst Euch, Herr Walther.«
    »Und Ihr habt mich immer noch nicht den Leuten des Erzbischofs übergeben. Wisst Ihr, wenn ich es mir recht überlege, dann ist der einzige Grund, dass Ihr mir damit droht, statt es schon längst getan zu haben, der, dass Ihr etwas von mir wollt. Wenn es ein besseres Angebot von König Philipp ist, dann habt Ihr kein Glück. Gerade jetzt weiß ich nicht, ob Philipp Köln und Otto nicht einfach einander überlassen sollte, während er im Rest des Reiches regiert.«
    »Mein Freund«, sagte Stefan, wieder ganz Gelassenheit, »Ihr redet Unsinn. Es gibt in der Tat einen Grund, warum ich nicht längst die Wachen auf Euch gehetzt habe, und der liegt nicht darin, dass Ihr so eine angenehme Stimme habt. Ihr scheint ein gewisses Talent dafür zu besitzen, an allen möglichen Orten aufzutauchen, wo Ihr nichts zu suchen habt. So etwas finde ich nützlich.«
    Worauf immer Stefan hinauswollte, änderte nichts daran, dass etwas mit Judith geschehen war, etwas, das nicht gut sein konnte. Auf einmal erschienen ihm die Phantasien, die er bisher dazu gesponnen hatte, als kindisch und töricht.
    »Wenn das ein Angebot sein soll, auch für Euch an ein paar Orten aufzutauchen, dann haben wir ein Besoldungsproblem, Meister Stefan, denn meine erste Entlohnung wäre eine Antwort auf die Frage, was zum Teufel mit Eurer Nichte geschehen ist und wo sie sich jetzt befindet.«
    »Ich hatte anderes erwartet!« Stefans Stimme war voller Spott. »Etwas wie eine empörte Erklärung, dass Euer Herz nur für Philipp schlägt, oder dass Kaufleute unter Eurer Würde seien.«
    »Kein Mensch, der sich meine Verse gut genug merkt, um daraus zitieren zu können, ist unter meiner Würde«, sagte Walther, ohne zu lächeln. »Was ist mit Eurer Nichte geschehen und diesmal keine Ausflüchte, bitte.«
    »Das eben sollt Ihr für mich herausfinden«, sagte Stefan. »Nach dem Stockfischessen.«
    Sie hatten nur noch ein paar Schritte bis zu Constantins Haus zu gehen. Walther verzichtete darauf, noch etwas zu fragen. Er wurde aus Stefan nicht schlau: Ging es dem Mann nun um ein besseres Angebot von Philipp? War er an einem Spitzel in Philipps Lager interessiert? War er wirklich um seine Nichte besorgt? Benutzte er sie nur als Vorwand, den ihm Walther durch seine besorgt klingende Frage geliefert hatte? Es hatte Momente auf dem Weg zu Constantin gegeben, in denen Stefan Walther Anlass bot, dies alles zu glauben, und nichts davon.

    Constantin wirkte wie ein gemütlicher Mann, der sich nur selten bewegte und einen gut gefüllten Bauch durch die Gegend trug, aber seine Augen waren hellwach, und er tat keinen Moment so, als glaube er, dass Walther ihm ein paar Lieder vortragen wolle.
    »Wenn Herr Otto«, fragte er, »dem Herzog von Schwaben den Erhalt seines Herzogtums verspräche, träte Philipp dann von seinem Anspruch auf die Krone zurück?«
    Über dergleichen hätte Philipp nie mit Walther gesprochen, doch wenn man als Verhandlungspartner akzeptiert werden wollte, dann durfte man nicht zugeben, nur ein kleines Licht zu sein. Außerdem musste es sich um eine Prüfung handeln: Sollte Stefan ernsthaft beabsichtigen, Walther als Spitzel anzuwerben, dann musste er gewiss sein, nicht mit falschen Auskünften abgespeist zu werden.
    »Nein«, sagte Walther. »Nicht zuletzt, weil er ein solches Angebot nie glauben würde, selbst wenn Herr Otto es mit eigenem Blut auf Kölner Pergament schriebe.« Um das zu sagen, brauchte man kein Vertrauter Philipps zu sein; der gesunde Menschenverstand genügte. Es lag nicht nur am bösen Blut zwischen Welfen und Staufern, daran, dass Philipps Vater einst das Herzogtum von Ottos Vater in einzelne Fürstentümer zerschlagen und unter seinen Anhängern verteilt hatte. Jeder wusste, dass die Welfen geschworen hatten, ein Gleiches mit dem staufischen zu tun. Philipp und Otto waren beide gewählt und gekrönt worden, der eine mit den echten Reichsinsignien von der

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